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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nicht sagen. Emy war in der Ecke stehengeblieben und schüttelte fortwährend den Kopf. Konnte er nicht fassen, was passiert war? Galt sein
    Unverständnis Frère Lazaires Worten? Oder haderte er mit dem Bruder, der sie rücksichtslos in eine solche Lage gebracht hatte, daraus jedoch nichts lernen wollte?
    Denn anstatt die Gefangenschaft zu beklagen, rappelte sich der verletzte Aurel mühsam auf, kaum dass die Männer ihn losgelassen hatten, und trat nach einer Weile wieder zu dem aufgeschnittenen Leichnam, um weiter darin zu wühlen. Frère Lazaire mochte sich zwar Sorgen um das Seelenheil des alten Ricard machen, doch in der Aufregung hatte er vergessen, dessen Leichnam vor den Händen des
Cyrurgicus
in Sicherheit zu bringen.
    »Bist du wahnsinnig?«, entfuhr es Alaïs, als sie sah, was er tat.
    Erstaunt blickte Aurel auf. »Warum?«, fragte er. Seine Stimme klang gepresst vor unterdrückten Schmerzen und zugleich so verständnislos, als habe sie ihn gebeten, einen Eimer frischer Milch fortzuschütten.
    Emy indes trat schweigend zu Aurel, berührte ihn sacht an der Schulter und brachte ihn dazu, dass er sich ihm zuwandte. Sie tauschten einen kurzen Blick, dann senkte Aurel die braunen Augen und trat von dem Leichnam zurück.
    Alaïs konnte nur in Aureis trotziges Gesicht sehen, wusste nicht, was sich in Emys Zügen abgespielt hatte, und noch weniger, woher die unerwartete Macht kam, die Emy seinem Bruder gegenüber ausspielte. Doch da die beiden stumm blieben, verkniff sie sich die Frage.
    Still blieb es in der Zeit, die folgte. Erst am Morgen wurden wieder Stimmen laut, jedoch von draußen. Alaïs vernahm, wie sich ihre Mutter mit den Männern anlegte, die ihr dreist den Zutritt verweigern wollten, um den Gefangenen etwas zu trinken und zu essen zu bringen.
    »Dieser Schuppen ist immer noch meiner!«, erklärte Caterina schroff. »Und ich betrete ihn, wann ich will.«
    Allein bei dem Gedanken an frisches Wasser deuchte Alaïs ihr Mund noch ausgedörrter. Erleichtert nahm sie wahr, dass Caterina sich offenbar durchzusetzen wusste und Josse den Befehl gab,den Schuppen zu öffnen. Doch ehe Caterina ihn betreten konnte, ertönte Hufgetrappel – ein fremdes Geräusch in Saint – Marthe, denn die Bewohner des Dorfs waren zu arm, um sich Pferde zu halten, und Gäste kamen selten.
    Caterina schien ebenso erstaunt. »Wer ist das?«, entfuhr es ihr.
    In den Morgenstunden war Frère Lazaire wieder an die Stätte des Frevels zurückgekehrt. Alaïs hatte ihn durch die Ritzen nicht kommen sehen, aber vernahm nun deutlich seine Stimme, als er erklärte: »Ich habe den Comte benachrichtigt. Wir sollen die drei übeltäter zu ihm bringen.«
    Alaïs sah, wie die Mutter nach Luft schnappte. Sie selbst war nicht minder überrascht.
    Der Comte war die dunkle Gestalt ihrer Kindheit. Jeder wusste, dass es ihn gab und er irgendwo darüber wachte, dass die Menschen ihm Abgaben zahlten. Doch man sah ihn niemals. Ein Spiel war es unter den Kindern, sich ihn möglichst furchterregend auszumalen, mit Warzen und Hakennase und Buckel. Ihr Vater, der dem Comte einmal begegnet war, bestätigte dergleichen jedoch nicht. Ray war als Vertreter der Fischer in den Rat gewählt worden, der einmal jährlich mit den sechs Vertretern des Comte zusammentraf und die wichtigsten Belange der umliegenden Dörfer besprach.
    Genau daran schien auch Caterina zu denken. »Was habt ihr hier zu suchen?«, rief sie schrill. »Da drinnen im Schuppen ist die Tochter eines Ratsmitglieds! Ihr könnt sie nicht einfach mitnehmen! Wartet, bis mein Mann Ray wieder zurück ist! Er wollte nur …«
    Die Männer des Comte achteten nicht auf sie. Alaïs hörte, wie sie von ihren Pferden sprangen, näher kamen, und wie schließlich einer von ihnen die Tür zum Schuppen aufriss. Das grelle Sonnenlicht tat weh, als schnitte ein Messer in die Augen. Alaïs fuhr zurück und verbarg sich unwillkürlich hinter Emy.
    Aurel indes trat den Männern forsch entgegen. Im Licht wurden die Verletzungen, die er erlitten hatte, noch deutlicher: Sein Gesicht war blutverkrustet, sein Auge färbte sich bläulich.
    »Gut, dass die Angelegenheit einer Klärung unterzogen wird«, sagte er. »Ich habe nichts Verbotenes getan!«
    Die Männer, allesamt dunkel gekleidet, manche von ihnen auch mit Kettenhemd, stürmten an ihm vorbei zum Leichnam und musterten ihn. Angewidert verzog einer das Gesicht, ein anderer lachte und klopfte sich auf die Schenkel, als hätte er noch nie etwas derart Lustiges

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