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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ich bin, dass du mich nicht mit deinem Kinde reden lässt?«, fragte sie schroff.
    Marguerite wandte sich kaum um, aber blieb immerhin stehen. »Du bist eine wie ich«, sagte sie schlicht. »Eine, die gewohnt ist, zuzupacken und zu schuften – was auf Dauer den Rücken krümmt. Roselina soll lernen, gerade zu gehen wie eine Dame.«
    Alaïs hatte nie mit ihrem Stand gehadert, es eher lästig gefunden, wenn ihre Mutter Caterina auf feine Tischsitten pochte, die sie einst – als sie noch Grafentochter, nicht, durch leidige Umstände verursacht, Fischersfrau war – eingebläut bekommen hatte und später an ihre Kinder weitergab, als letztes Zeichen, dass edles Blut in ihren Adern floss. Aber jetzt reifte erstmals Stolz in Alaïs.
    »Was weißt du schon, wer ich bin?«, schnaubte sie.
    Marguerite antwortete nicht darauf. »Was machst du eigentlich hier?«, fragte sie stattdessen. »Solltest du nicht in der Bäckerei sein?«
    Mit forschen Schritten folgte ihr Alaïs ins Freie. Das Mädchen wirkte im hellen Licht noch blasser, die Adern hinter seiner Haut noch dunkler.
    »Wenn ich wie du sein soll … wie kommt's, dass ich den Brotteig zu kneten habe, du aber nie?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass unsereins es nicht zu etwas bringen kann. Aber Roselina … sie soll noch viel weiter kommen. Und deswegen will ich einfache Weiber wie dich nicht in ihrer Nähe wissen.«
    Kurz war Alaïs geneigt, sie ähnlich grob zu packen wie damals am ersten Tag, diebisches Vergnügen hätte sie in solchem Kräftemessen gefunden. Jedoch scheute sie sich, die Mutter vor den Augen des Kindes anzugreifen. So sehr sie Marguerites anmaßende Worte verärgerten, ein wenig verstand sie deren Drang, dieses zarte, reine Geschöpf zu beschützen.
    »Was soll’s«, knurrte sie unwillig. Sie folgte Marguerite nicht zu Giacintos Haus, um wieder zurückzukehren in die Bäckerei, sondern stapfte erneut in den Stall des päpstlichen Kamels.
    Als Marguerite fortging, hörte Alaïs noch, wie sie Roselina tadelte, sich die Hände schmutzig gemacht zu haben.

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XV. Kapitel
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    »Alaïs?«
    Mehrfach wurde ihr Name wiederholt, ehe die Stimme sie aus den Tiefen eines traumlosen Schlafs hervorzerrte. Alaïs fuhr hoch und konnte sich im Dunkeln nicht recht orientieren. Auch morgens fiel es ihr oft schwer sich zu vergegenwärtigen, wo sie gelandet war – umso mehr aber nun, da durch die Ritzen der Balken nur schwarze Nacht floss und das Herdfeuer kaum mehr spendete als einen schwachen, dunkelroten Schein.
    In dessen Licht tanzten Marguerites blonde Locken, als sie an Alaïs rüttelte.
    »Alaïs, wach auf!«
    Alaïs brummte. Seit ihrer letzten Begegnung im Stall des Kamels waren mehrere Tage vergangen. Alaïs hatte sich vorgenommen, ihr strikt aus dem Weg zu gehen, und Marguerite hatte wohl ähnliches im Sinn gehabt – zumindest bis jetzt.
    »Nun komm schon, steh auf!«
    »Soll ich jetzt mitten in der Nacht schuften? Ist es das, was du willst? Ach, lass mich doch in Frieden!«, wehrte Alaïs mürrisch ab. Sie entzog der anderen ihren Arm und ließ sich wieder auf die hölzerne Bank sinken. Das Laken unter ihr roch nach Brot, dem saftigen, körnigen ebenso wie dem flockig weißen. Für hungrige Nasen mochte es keinen lieblicheren Duft geben, aber Alaïs hatte ihn derart satt, dass sie am liebsten wieder in den geruchlosen Schlaf geflüchtet wäre.
    Marguerite ließ nicht locker. »Komm mit mir!«, sagte sie. »Bitte, komm mit!«
    Trotz der knappen Worte klang ihre Stimme nicht befehlend, sondern flehentlich, und schließlich vermochte Alaïs ihre Ohren nicht mehr zu verschließen. Unwillig stand sie auf.
    »Du … du bist doch mit einem Medicus nach Avignon gekommen, nicht wahr?«, sprach Marguerite hektisch, während sie sie aus der Küche führte. »Und er soll ein außergewöhnlich guter sein, nicht wahr? Sonst wäre er nicht Leibarzt des Papstes geworden.«
    Bis zu diesem Augenblick war Alaïs nicht gewahr gewesen, dass Marguerite derart gut über sie Bescheid wusste. Am ersten Tag nach ihrer Ankunft hatte sie mit Aureis Namen nichts anfangen können. Doch mittlerweile musste sich herumgesprochen haben, wen Giacinto Navale von seiner letzten Reise nach Avignon mitgebracht und wessen Gunst dieser hatte erringen können.
    »Ich muss ihn sprechen!«, setzte Marguerite hinzu. »Ich bedarf seiner Dienste! Kannst du mich zu ihm bringen?«
    »Bist du etwa krank?«
    Alaïs rieb sich die schlaftrunkenen Augen, doch auch mit klarem Blick ließ Marguerites kräftiger

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