Die Gefährtin des Medicus
treten lassen. Hast du mich verstanden?«
Marguerite japste nach Luft, ihr Gesicht rötete sich und ihre ohnehin schon großen, blassblauen Augen traten hervor. Da erst ließ Alaïs sie wieder los, trat zurück und schüttelte sich den Staub von den Kleidern.
Langsam verklang Marguerites Keuchen, ihr Atem beruhigte sich wieder. Eine Weile standen sie nur starr voreinander und maßen sich. Alaïs rechnete mit einem Gegenangriff und verfolgte jede Regung der anderen, um sich rechtzeitig vor der Strafe zu schützen. Jener war sie sich gewiss. Zwar hatte sie nicht herausgefunden, welche Stellung Marguerite in diesem Haushalt innehatte – einer dahergelaufenen Maid wie ihr mochte es dennoch nicht zugestanden sein, sich derart brüsk gegen sie zu erheben.
Zu ihrem Erstaunen lächelte Marguerite jedoch plötzlich. »Du gehörst zu den Starken«, stellte sie fest. An ihrer Kehle waren Alaïs’ Fingerabdrücke sichtbar. »Das gefällt mir.«
Sie nickte ihr zu und entfernte sich. Erst als sie die Tür zum Gang erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um. »Und jetzt mach, dass du wieder in die
Farnaria
kommst.«
Nicht nur anstrengend und heiß war die Schufterei in der Bäckerei, sondern vor allem unendlich langweilig. Alaïs’ Leib warvom langen Wandern gestählt. Das Stehen und Kneten, Stampfen, Mörsern und Backen allein hätten ihr in den kommenden Wochen nicht sonderlich zugesetzt, umso mehr aber tat das die Eintönigkeit. Die Menschen, mit denen sie zusammenarbeitete, sprachen wenig. Sie wusste nicht einmal, wie sie hießen. Vielleicht hatten sie ihr ihre Namen auch einmal gesagt, doch da sie sonst nichts preisgaben – woher sie kamen, ob sie schon immer im Dienst von Giacinto Navale gelebt hätten und was sie von ihm wussten –, waren sie ihr wieder entfallen.
Das Einzige, was Abwechslung brachte, waren die Fremden, die regelmäßig in der Bäckerei auftauchten.
Das erste Mal waren es zwei Männer, die sie grob beiseite drängten und den Ofen für sich beanspruchten, um dort zehn Laibe Roggenbrot zu backen.
»He!«, schrie sie empört, als der Ellbogen des einen sie traf. Alsbald freilich gewahrte sie, dass ihr dieses rüde Verhalten immerhin eine Pause einbrachte. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und lehnte sich an einen der Tische, wo ansonsten geknetet wurde.
»Und wer seid ihr?«, fragte sie.
Anders als Giacintos Dienstboten schwiegen diese Männer nicht. Der eine grinste, als er sie anzüglich musterte, sprach dann von einem Kardinal, in dessen Diensten er stehe – in der Villeneuve lebe jener, man müsse nur die Brücke überschreiten, schon sei man da –, und da der keine eigene Backstube besitze, lasse er sich jene hier mieten.
Alaïs verzog befremdet die Brauen. Auch in Saint – Marthe nutzten mehrere Familien ein und denselben Ofen, doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass ähnliche Sitten auch in solch hohen Kreisen üblich waren.
»Geld hätte der Kardinal für eine eigene
Farnaria
schon«, erklärte da bereits der Mann, »aber eben keinen Platz, so eng wie die Häuser hier stehen. Und Giacinto Navale verdient wiederum gut daran, die eigene Backstube zur Verfügung zu stellen.«
Giacinto Navale schien seinen Reichtum auf viele Arten zumehren. Nichts gab es, weder das alltägliche Leben betreffend noch dessen besondere Finessen, wo er nicht irgendwie seine Hände im Spiel hatte und das Beste für sich herausholte.
So erfuhr Alaïs, dass er in eigens dafür bestimmten Lagerhallen Getreide hortete – vor allem Weizen, den Händler aus Arles, Tarascon, sogar aus dem fernen Burgund oder aus dem direkten Umland von Avignon brachten. Denn dessen Preis, so erzählte man ihr, war starken Schwankungen unterworfen. In Jahren guter Ernte war er billig zu haben, ein andermal mochte er doppelt so viel kosten. Giacinto nun erwarb in guten Jahren so viel wie möglich, um ihn in schlechten teuer zu verkaufen.
Neben den Menschen, die den Backofen mieteten, kam einmal im Monat ein streng blickender Mann unangekündigt vorbei. Wann immer er erschien, zuckte die Dienerschar ängstlich zusammen. Alaïs hingegen musterte ihn unverhohlen. Gespannt wartete sie zu erfahren, welches Amt er trüge, um solchen Respekt zu verdienen, und brachte alsbald in Erfahrung, dass er derjenige war, der das Gewicht der Brote kontrollierte. Die Mischung des Teigs unterlag strengen Bestimmungen – war es nun für den privaten Gebrauch bestimmt oder nicht –, und die Größe der Laibe war genau
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