Die Gefährtin des Vaganten
und fuhr bei ihrer Anrede auf.
»Weiß nicht. Ein Heiliger aus dem Morgenland.«
»Eine Reliquie, Frau Laure. Vermutlich auch eine Mumie, so wie ich den Schwindel einschätze«, ergänzte Hagan.
»Na, das ist mal ein besseres Schicksal für den Heiden, als zu Zugsalbe zermörsert zu werden«, murmelte Inocenta. Piet gab ein trockenes Lachen von sich.
»Geht schlafen, Herr Stephan, Ihr könnt kaum noch aus den Augen sehen.«
»Ja, geht und kuriert Eure Erkältung aus. Ihr habt uns genug geholfen.«
Van Horne nickte und ging mit schleppenden Schritten an das andere Ende der Scheune, wo die Vaganten ihre Schlafstellen aufgeschlagen hatten.
»Er ist ein Tropf. Ein armer, schuldbeladener Tropf, ein leichtes Opfer. Und zudem noch wohlhabend. Genau solche nehmen sie aus«, meinte Hagan.
»Was wollt Ihr tun?«, fragte Laure.
»Nichts.«
»Nein, Inocenta, wir müssen einen Plan machen.«
»Dann meldet diese Umtriebe dem Erzbischof. Du scheinst dich ja auszukennen, Magister Bischof.«
»Wenn ich ihm etwas anzeigen will, dann brauche ich mehr als Spekulationen.«
»Vor allem, wenn er es selbst ausgeheckt hat«, meinte Piet.
»Ihr, Frau Laure, solltet mit Hemma reden. Ich würde gerne Gewissheit darüber haben, ob die Mater Dolorosa ihre Schwester Brigitte ist. Um den Herringsstetz kann Inocenta sich kümmern.«
»Gut.«
Piet erklärte: »Ich sehe mir mal diesen Konvent näher an. Martine wusste das eine oder andere darüber. Ich vermute, sie war Magd bei ihnen. Ich muss ihr Vertrauen weiter gewinnen, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr drängt sich mir der Verdacht auf, dass sie etwas darüber weiß.«
»Und ich werde ein wenig sündigen«, meinte Hagan. »Mal sehen, ob ich nicht den Töchtern der Nacht als williges Opfer dienen kann.«
Männer waren so, dachte Laure. Rumhuren machte ihnen Spaß.
»Nein, Frau Laure, es wird mir kein Vergnügen bereiten.«
Erschrocken zuckte sie zusammen.
Er lächelte sie an.
»Ihr zeichnet Gesichter auf sehr hintergründige Weise, Frau Laure, aber in dem Euren kann man ebenfalls lesen.«
Wieder strich er ihr mit dem Finger leicht über die heiße Wange.
»Lasst das, Herr Hagan«, sagte sie bestimmt und rückte von ihm weg.
Warum machte er das?
Warum rührte es sie?
Warum schlug ihr Herz so laut?
Besser, sie ging jetzt auch zu Bett.
Dritter Teil
Prolog
Ihr lasst euch dessen nicht verdrießen,
was ich bis jetzt gesprochen habe?
so will ich die Rede weiterführen
in Kürze – und euch wissen lassen,
was Gott an Wundern hier noch werden ließ
Palästinalied, Walther von der Vogelweide
Köln 1253
Martin von Iddelsfeld, der dritte der jungen Kreuzritter, hatte seine beiden Kameraden zwar nach der Heimkehr verlassen, doch dann und wann trafen sie sich noch, um ihre gemeinsamen Erinnerungen aufzufrischen. Vier Jahre im heiligen Land, gemeinsam ertragene Entbehrungen und überstandene Abenteuer hatten ein dichtes Band zwischen ihnen geknüpft. So hörte er auch von der Rolle, die die Mumie inzwischen für seine Freunde und vor allem für Jutta von Hürth spielte.
Er betrachtete diesen Schwindel mit großem Misstrauen, sagte aber wenig dazu. Dennoch beobachtete er den Priester, Konstantins Bruder, der ein seltsames Lügengewebe um diese Mumie gesponnen hatte. Er erschien ihm als ein verschrobener Kauz. Hier und da hatte Martin von einer neuen Sekte gehört, die sich Katharer nannten und höchst eigenwillige Glaubensvorstellungen entwickelt hatten. Man munkelte, sie glaubten, ein böser Gott habe die sichtbare Welt geschaffen, der man nur entfliehen konnte, wenn man sich den strengen Regeln der Zucht unterwarf. Gut war nur die Seele, und die galt es zu retten. Da der Körper also eine Manifestation des Bösen war, konnte auch Jesus nicht als Mensch erschienen sein, sondern nur als Geist. Damit war er also auch nicht am Kreuz gestorben und folglich konnte er nicht auferstanden sein.
Martin schüttelte den Kopf über diese krausen Ideen. Vor allem aber fragte er sich, was für eine Irrlehre dieser Priester Ottos Schwester Jutta untergeschoben hatte. Katharer waren Ketzer, und Ketzer wurden von der Kirche verfolgt. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr sah er eine Gefahr für seine Freunde in Konstantins Bruder.
Und darum suchte er seinen Beichtiger auf und denunzierte ihn.
Der Priester landete auf dem Scheiterhaufen.
Als herauskam, welche Rolle Martin in dieser Angelegenheit gespielt hatte, zerbrach die Freundschaft zwischen ihm und den beiden
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