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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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immer nicht wider­stehen.«
    »Und außerdem seid Ihr noch immer loyal dem Erz­bischof gegenüber«, sagte Hagan leise.
    »Dem einen oder anderen.«
    Laure sah von dem einen Mann zum anderen und hatte den Eindruck, dass hier weit mehr gesagt worden war, als ihre Worte ausdrückten.
    Als Laure abends über ihrem Büchlein saß, entstand nicht nur das Bild des grauhaarigen Upladhin, sondern auch eines von Melle. Ein glück­licheres als zuvor. Sie betrachtete eingehend ihre Augenpartie. Wem mochte sie wohl ähnlich sehen?

33. Suche nach Erlösung
    Christus ist der wahre römische Pontifex,
der Hohepriester und Bischof der Seelen.
    Jan Hus
    »Ich habe noch ein paar Pfennige, Janna. Ich möchte von dem bunten Garn dort kaufen.«
    Die Flickschneiderin, Paitze und Melle waren zum Markt in Porz gegangen, um einige Längen Tuch zu erstehen, die zu warmen Umhängen verarbeitet werden sollten. Melle hatte wenig genug Gewänder, und ihr Vater hatte ihr eine gut gefüllte Börse mitgegeben, um Stoff für Winterkleidung zu kaufen.
    »Willst du dein Gewand aufputzen?«, fragte Paitze und musterte die safrangelben, tannengrünen und rot gefärbten Nocken, die eine Garnspinnerin anbot.
    »Vielleicht auch. Martine hat mir ein paar Stickmuster gezeigt. Aber ich möchte für deine Mutter ein Täschchen machen.«
    »Oh, ja, eine gute Idee. Ich könnte ihr einen Gürtel be­­sticken. Sie mag schöne Sachen.«
    Die Mädchen handelten mit der Garnspinnerin auf das Härteste, schon alleine, weil es Spaß machte zu handeln, und stopften dann ihre Beute zufrieden in ihre Beutel.
    »Wir können uns auch Pasteten kaufen«, schlug Janna vor, wurde aber überstimmt.
    »Nein, die sind hier nicht so gut wie im Gasthaus«, meinte Melle und betrachtete die Auslagen eines Schusters. Feste Stiefel, hatte ihr Vater gesagt, brauche sie auch für den Winter.
    Diese Angelegenheit nahm einige Zeit in Anspruch, und als die Leisten angemessen waren, lenkte ein Mann mit laut tönender Stimme ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er war ein hochaufgeschossener, leicht gebeugter Mann in dunkler Kutte, der salbungsvoll zu predigen begonnen hatte. Er beschwor das Grauen der Verdammten herauf, malte mit Worten höllische Qualen und zeigte die Folgen von Unkeuschheit und Sünde in beredten Bildern.
    »Schrecklich«, murmelte Paitze. »Ich will nicht auf Ewigkeiten geröstet werden.« Sie drückte sich angstvoll an Melle. »Und vor allem nicht auf immer mit diesem Gesindel zusammen sein. Diese gräss­lichen Söldner sind bestimmt in der Hölle angekommen.«
    »Der Pfarrer Daniel hat mir mal erklärt, dass in der Bibel nichts von einer Hölle steht«, flüsterte Melle tröstend. »Und der war ein gelehrter Mann.«
    »Ja, aber wo kommen denn dann all die Sünder hin?«
    »Nicht in den Himmel. Das ist doch schlimm genug, oder?«
    Wobei sich Melle dann doch fragte, wo sie wohl blieben. Vielleicht wanderten sie als Geister und Ghule weiter durch die Welt und verbreiteten nächt­lichen Schrecken. Auch das hatte sie schon mal gehört.
    »Wir fragen meinen Vater. Oder Piet«, wisperte sie Paitze ins Ohr.
    »Ja, die sind auch gelehrte Männer. Aber Piet ist nicht sehr fromm, nicht?«
    »Na und? Wenn das da Frömmigkeit ist …«
    Der Prediger war immer lauter geworden, und fast alle Marktbesucher standen nun in seinem Bann. Vor allem die genaue Schilderung der Sünden – besonders die der Unzucht – sicherte ihm die Aufmerksamkeit der Zuhörer.
    »Doch die Erlösung ist nahe!«, verkündete er plötzlich mit Schwung. Dann erzählte er eine gar wundervolle Geschichte von drei herzensreinen Kreuzrittern, die von einer weißen Taube geleitet das Grab des Herrn fanden. Und in jenem Grab in Lydda den einbalsamierten Leichnam fanden, der die Höhle mit seinem Duft nach Myrrhe und Aloe füllte.
    »Ja, aber Jesus ist doch auferstanden und gen Himmel gefahren«, flüsterte Paitze.
    »Ich versteh das auch nicht. Doch hör zu …«
    Jetzt bezog sich der Prediger in gewandten Worten auf die Bibel und die Worte des Apostels Paulus, der von dem geistigen Leib des Herrn sprach.
    Janna, die hinter ihnen stand, bemerkte leise: »Hab ich schon mal in Worms gehört. So ähnlich jedenfalls. Und Piet hat gesagt, es wäre eine ziem­liche Scheiße, in dem eigenen, grindigen, gebrech­lichen Leib wieder aufzuerstehen, in dem man gestorben ist. Fand ich ziemlich einleuchtend.«
    »Stimmt«, sagte Paitze und sah die verkrüppelte Alte vor sich an, die sich auf zwei Krücken stützte und mit

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