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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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offenem Mund dem Prediger lauschte.
    »Aber wenn sie den Leib des Herrn gefunden haben …«
    »Hat er nicht gesagt«, stellte Melle spitzfindig fest. »Nur dass sie einen duftenden Leichnam gefunden haben.« Und dann hielt sie den Mund. Hier waren bei Weitem zu viele Ohren, als dass sie über das sprechen konnte, was sie sich dachte. Aber ihr Vater und Piet würden sich einen Reim daraus machen können.
    Schade nur, dass beide seit dem Vortag unterwegs waren. Aber Inocenta war ja noch da.
    Endlich hatte der Mann alles gesagt, was er zu sagen hatte, und Melle drängte Janna und Paitze zum Aufbruch.
    Auf der Landstraße wollte Paitze weiter über diese Predigt reden und fragte Janna nach der Geschichte in Worms aus. Melle hingegen bewegte eine ganz andere Angelegenheit. Und als ihre Freundin endlich schwieg, fragte sie die Flickschneiderin: »Janna, wie ist mein Vater eigentlich zu Euch gekommen?«
    »Der Magister? Durch den Rhein kam er geschwommen, da in Konstanz.«
    »Ja, ich weiß, weil er den Häschern entkommen musste, die meine Mutter umgebracht haben. Aber war das Zufall, dass ihr gerade da wart? Ich meine, es wäre für ihn doch sonst ziemlich schwierig geworden …«
    »Nackig bis auf die Bruche. Wohl wahr«, kicherte Janna. »Aber wir, oder besser Piet wusste, dass er kommen würde. Allerdings nicht nackig. Wir haben uns schon einmal in Speyer getroffen.«
    »Da war er Domherr, nicht wahr?«
    »Nein, Bischof.«
    Melle schwieg.
    Janna merkte nicht, was für eine Überraschung sie ausgelöst hatte, und berichtete frohgemut die Geschichte, wie Jurg die Pastete auf den König geworfen hatte und sie den Wachen entkommen mussten. Paitze lachte fröhlich auf, aber Melle war mehr und mehr erschüttert. Ihr Vater – ein Bischof. Was denn noch?
    Aber dann konzentrierte sie sich wieder auf das, was sie wissen wollte, und fragte: »Also, mein Vater kannte euch schon, aber woher wusste er, dass ihr in Konstanz wart?«
    »Wer war nicht in Konstanz? Aber stimmt schon. Wir haben, wie so viele andere auch, auf den Plätzen und in den Tavernen unsere Kunststücke vorgeführt und unsere Dienste angeboten. Dabei sah uns Magister Hagan und sprach Piet an. So wusste er, wo wir lagerten. Und dann schickte er Piet eines Tages eine Botschaft. Er wollte im Schutz der Dunkelheit mit einem Boot übersetzen. Er schrieb, er müsse ein Weib in Sicherheit bringen, und ob wir sie aufnehmen könnten.«
    Melle schluckte.
    »Meine Mutter?«
    »Ich nehme es an. Jedenfalls hielten Piet oder Klingsohr seit dem Zeitpunkt abends immer Wache am Ufer. Tja, und dann kam er angeschwommen. Blutend, schwabbelbäuchig und nackig.«
    »Blutend?«
    »Er hatte mit den Mördern deiner Mutter gekämpft und sie umgebracht.«
    Das hatte er ihr auch nicht erzählt.
    Melle war still.
    Hagan hatte am Vorabend in der Dämmerung an die Tür von Pater Tilmanus geklopft und verlegen etwas von Beichte genuschelt. Er war in das Pfarrhaus gebeten worden, einen geräumigen Steinbau neben Sankt Kolumba. Der Pfarrer gab sich leutselig, hatte ihm einen dunklen Wein eingeschenkt und allerlei Fragen gestellt. Hagan wiederholte getreulich die Geschichte, die er vor einigen Tagen der Hure erzählt hatte, und schmückte sie noch mit einigen Seufzern und Gewissensbissen anschaulich aus. Er hatte das Gefühl, sehr gründlich begutachtet zu werden; vor allem auch seine finanziellen Möglichkeiten schienen den Pfarrer zu interessieren. Aber auch da hatte er einige Vorsorge getroffen. Unter anderem hatte er sich mit sehr respektablen Gewändern ausgestattet, Pelz umgab den Saum seiner Heuke, sein Wams aus Samt war dezent bestickt, sein feines Leinenhemd reich gefältelt, sein Gürtel mit Silber beschlagen. Alles das waren Anschaffungen, die er bei den Altkleiderhändlern auf dem Alter Markt am Samstag getätigt hatte. In seiner Kammer im Gasthaus »Zum Adler« hatte er die feinen Gewänder angelegt. Die Schwiegertochter der Wirtin hatte sich geschickt mit Nadel und Faden erwiesen und nötige Anpassungen vorgenommen.
    Er hätte sich neue Kleider leisten können, doch schien es ihm für seine Rolle passender, wenn sie schon etwas abgetragen aussahen.
    Der Pfarrer schien zumindest seine Vorführung glaubhaft zu finden und machte ihm schließlich das Angebot, auf das er gewartet hatte.
    »Eure Last liegt schwer auf Eurem Herzen, Magister. Und wenn selbst die Gebete vor den Heiligen Drei Königen Euch nicht erleichtern, dann gibt es vielleicht nur noch eine Lösung.«
    »Ich weiß. Ich

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