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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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verwinkelten Gassen. Tilmanus hatte ihm Schweigen geboten und ansonsten wenig gesagt. Mit leichter Verwunderung bemerkte Hagan, dass sie nicht vor dem Haus stehen blieben, das Piet ihm bezeichnet hatte, sondern vor dem Gebäude daneben. Beide jedoch wirkten düster und abweisend; die Läden waren geschlossen, und kein Lichtschimmer quoll durch die Ritzen. Der Priester klopfte ein bestimmtes Zeichen an die Tür, und man öffnete sie nach einer Weile einen Spaltbreit. Tilmanus zischelte etwas zu dem, der drinnen stand, was Hagan nicht verstehen konnte. Dann wurden sie hineingewunken. Eine dunkle Eingangshalle empfing sie. Kaum konnte er Schemen von einer nach oben führenden Treppe erkennen, denn nur das kleine Handlicht des Pförtners spendete etwas Licht. Auch ihn konnte er nicht recht erkennen, aber er schien ein bulliger Mensch zu sein, der seine Gugel weit über das Gesicht gezogen hatte.
    Man gab sich geheimnisvoll und schweigend.
    Mit einem Wink wurden sie durch den Gang gewiesen, traten durch die Hintertür in einen ummauerten Garten und von dort durch ein Pförtchen auf den hinteren Hof des Nachbarhauses. Auch hier befand sich eine Hintertür. Sie traten ein und standen vor einer Steintreppe, die nach unten führte. Tilmanus schob Hagan vor, sodass er als Erster hinuntergehen musste. Allmählich hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, dennoch war er froh, sich an dem Tau festhalten zu können, das an der Wand befestigt war. Vorsichtig setzte er seine Füße auf die Stiegen. Wieder erreichte er eine Art Vorraum, in dem eine Tür das Weitergehen verhinderte. Der leichte Geruch von Myrrhe und Aloe lag in der abgestandenen Luft. Noch einmal verwendete Tilmanus bestimmte Klopfzeichen, und es wurde ihm aufgetan.
    Hagan hatte von Stephan eine Schilderung finsterer Katakomben erhalten, und so war er nicht weiter überrascht, ein geräumiges Gelass zu betreten, dessen hohe Gewölbe von zwei Fackeln an den Wänden erhellt waren. Ein Vorhang fiel in weiten Falten von der Decke und verbarg den hinteren Teil des Raumes. Doch wurde hier der Duft nach Räucherwerk intensiver. Vier Gestalten, ganz in Schwarz, erwarteten ihn. Hohe, kegelförmige Kopfbedeckungen ließen sie übermenschlich groß erscheinen, schwarze Tücher, aus denen lediglich Öffnungen für die Augen geschnitten waren, verdeckten ihre Gesichter. Zwei von ihnen waren mit Schwertern gegürtet – die Ritter, Wächter und Beschützer der Damen, vermutete er.
    »Seid Ihr bereit, an der Zeremonie teilzunehmen?«, fragte einer, und seine Stimme klang dumpf durch den Stoff.
    Eingedenk seines Schweigeversprechens nickte Hagan.
    »Dann legt Eure Kleider ab.«
    Hoppla – davon hatte Stephan nichts gesagt. Fragend sah Hagan den Priester an. Der nickte. »Tut, was er sagt, Herr Hagan von Speyer. Nackt seid Ihr geboren, nackt tretet Ihr vor den Herrn, nackt werdet Ihr diese Welt verlassen.«
    Das hörte sich nicht besonders gut an. Vor allem, weil es eine Methode war, ihn wirklich jeder versteckten Waffe zu entblößen. Und derer hatte er die eine oder andere in seinen Gewändern verborgen.
    Aber es gab jetzt kein Zurück mehr. Vorsichtig zog er sich aus und legte die Kleider so zusammen, dass die Wächter nicht sofort die drei Dolche sahen. Aber vermutlich würden sie die Sachen untersuchen.
    Er versuchte, die Bruche anzubehalten, aber ein herrischer Befehl lautete, auch sie auszuziehen. Hagan schämte sich gewöhnlich seiner Nacktheit nicht, aber hier fühlte er sich wehrlos und verletzlich. Mit hängenden Armen stand er mitten im Raum und erinnerte sich wieder daran, dass er ja schuldbeladen war. Nun ja, verschämt, niedergedrückt und verzagt konnte er sich in dieser Situation gut fühlen. Geschickt von den Leuten, die diese Scharade in Szene setzten.
    »Seid bereit!«, dröhnte Tilmanus, und dann schwang der schwere Vorhang vor ihm auf.
    Er wurde von hinten angestoßen.
    »Auf die Knie!«
    Er sank nieder auf den mit weichen Teppichen belegten Boden. Betäubend war hier der Duft, schwer und süß und irgendwie weiblich. Von der Decke hingen drei große Kerzenkränze, die den Raum erhellten.
    Was für ein Raum!
    Rote Teppiche, golddurchwirkt, hingen an den Wänden, auf hohen goldenen Kerzenleuchtern brannten dicke Wachskerzen. In der Mitte ragte ein Baldachin auf. In hohen Spitzbögen schwang er sich auf, von einer Kreuzblume wurde er gekrönt, vergoldet die Streben, mit schimmernden Juwelen besetzt das zarte Filigran des Schnitzwerks. Hauchdünne

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