Die Gefährtin des Vaganten
Damen den Raum, und der Priester überreichte ihm mit weiteren salbungsvollen Worten ein Stück morschen Stoff, der angeblich von jenen Binden stammte, in die der heilige Leib gewickelt gewesen war. Dabei nannte er ihm beiläufig den horrenden Preis für diese Spende und klärte ihn gleichzeitig darüber auf, dass er, wenn er Fädchen dieser kostbaren Reliquie verkaufte, die Hälfte davon für sich behalten durfte. Die andere Hälfte hatte er ihm, Tilmanus, abzuliefern. Und ab jetzt müsse er sich an jedem zweiten Tag des Monats bei ihm einfinden, um Rechenschaft abzulegen.
Damit fiel der Vorhang wieder zu, und er durfte seine Kleider anlegen.
Die drei Dolche fehlten wie erwartet.
Doch das konnte Hagan verschmerzen, viel zu froh war er, endlich diese pompösen, von Süße übersättigten Räume verlassen zu können, durch die Gier, Habsucht und Bosheit zu wabern schienen.
Sie stiegen die Treppen hinauf, zwei der schwarzen Wächter vor, zwei hinter ihm. In der Eingangshalle stand wieder der bullige Pförtner und erwartete ihn.
In diesem Augenblick erklang ein Klopfzeichen an der Tür. Der Pförtner sah fragend zu den Wächtern, einer nickte. Er öffnete.
Einem weiteren Priester folgte der alte Richmont von Schlebusch.
Hagan stockte der Atem.
Und schon geschah das Unglück.
»Der Magister Hagan! Na, Euch hier anzutreffen hätte ich nicht erwartet.«
»Kein Pelzhändler?«, fragte eine dumpfe Stimme hinter ihm.
»Aber nicht doch. Er ist …«
»Packt ihn!«
Hagan hatte keine Zeit, sich zu wehren. Vier kampferprobte Männer überwältigten ihn und zerrten ihn die Treppe nach unten. Doch nicht in den Gewölbekeller brachten sie ihn, sondern in eine dunkle, kalte Kammer. Sie rissen ihm die Kleider vom Leib und fesselten seine Hände an einem eisernen Ring an der Wand hoch über seinem Kopf.
»Die Mater Dolorosa wird sich deiner annehmen«, sagte einer.
Und das blanke Entsetzen überkam Hagan.
34. Im Gasthaus
»… kaum hundert Schritt weit, verdammt noch mal. Und ich musste den Karren am Wegesrand stehen lassen. Wenn die Ware weg ist, bezahlt Ihr sie noch dazu!«, brüllte der Schuster.
»Den Teufel werd ich. Ist doch Eure Sache, wenn Ihr nicht in den Wagenspuren bleiben könnt!«, geiferte Goswin zurück.
»Wagenspuren? Wenn das Rad schief läuft? Der Splint ist rausgeflogen. Das war Eure Schlampigkeit!«
»Ihr nennt meine Arbeit schlampig, Kerl?«
Laure haspelte den Eimer mit Wasser hoch und sah sich nach Hilfe um. Goswin war seit Tagen in äußerst streitsüchtiger Laune. Wenig hilfreich war dabei, dass er schon gleich nach dem Aufwachen morgens Humpen um Humpen Bier leerte.
Der Schuster, der Melles Stiefel abgeliefert hatte und eine Kleinigkeit an seinem Karren hatte reparieren lassen, war auch nicht gerade der friedfertigste Mann unter der Sonne.
Wie sie befürchtet hatte, gingen die beiden mit Fäusten aufeinander los.
»Olaf!«, rief sie zum Werkstattdach hoch.
Und dann leerte sie mit Schwung das kalte Wasser über die beiden Streithähne.
Ihr Bruder, der einige Holzschindeln ausgetauscht hatte, rutschte das Dach nach unten und landete breitbeinig vor den beiden tropfenden Kämpfern. Zumindest Goswins benebelten Geist hatte der Guss so gelähmt, dass er das Wams des Schusters losgelassen hatte. Olaf packte ihn nun am Kragen und stieß ihn mit einer heftigen Bewegung gegen die Wand. Hier rutschte er benommen zu Boden.
»Meister Schoemaker, haltet Euch zurück, der Mann ist trunken. Wo steht Euer Karren?«
Der Schuster beruhigte sich bei den gelassen gesprochenen Worten etwas und wies mit dem Daumen über den Rücken. Laure schnappte sich einen der Lehrjungen und schickte ihn los, die Ware zu bewachen. Dann wandte auch sie sich an den Schuster.
»Er wird Euren Reifen richten, Meister Schoemaker, und mögliche Verluste ersetzen. Ich werde dafür Sorge tragen.«
»Das kannst du ihm zahlen«, grollte Goswin, der sich wieder aufrappelte.
»Nein, Goswin. Du bist der Handwerker – du hast die Pflicht, dein Werk nach Maß und Richtigkeit zu tun«, sagte Olaf ruhig. »Ich werde mir den Schaden ansehen, und wenn der Mann hier recht hat, dann zahlst du, oder ich unterstütze seine Klage gegen dich beim Amtmann. Ein Handwerksmeister, der sich bei seiner Arbeit dem Trunk hingibt, ist eine Schande für seinen Stand.«
»Aber ich wollte …«
Laure trat dem Schuster auf den Fuß.
»Äh, ja, natürlich, Klage beim Amtmann.«
»Recht hat er!«, keifte jetzt auch Elseken los. »Mir
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