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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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doch rollte jetzt schon ein Wagen durch das Tor.
    Laure trat aus der Vorratskammer, um die Reisenden zu begrüßen.
    »Frau Laure«, Melle sprang vom Wagen und rannte auf sie zu. »Frau Laure, wir haben meinen Vater gefunden. Aber Ihr müsst uns helfen.«
    »Ruhig, Melle. Langsam.«
    Aber Laure wurde die Kehle eng, als sie den in Decken gewickelten Körper sah, der auf der flachen Pritsche auf einem Strohsack lag.
    »Was ist passiert? Piet?«
    »Habt Ihr eine Kammer für ihn? In den Schlafräumen der Gäste sollte er nicht untergebracht werden.«
    »In meinem Zimmer liegt Hemma. Aber die Kammer der Kinder kann ich herrichten. Sie werden dann eben bei Euch in der Scheune schlafen müssen.«
    »Holt Klingsohr und Inocenta.«
    »Ist er schwer verletzt?«
    Piet nickte.
    »Melle, Inocenta arbeitet im Garten.«
    »Ich hole sie.«
    Laure lief in ihr Wohnhaus und suchte nach Martine. Sie saß, wie üblich, nähend bei Hemma, bei der sich auch noch immer Stephan aufhielt.
    »Stephan, Eure Hilfe wird unten benötigt. Martine, wir müssen ein weiteres Krankenlager richten. Drüben, in der Kammer der Kinder.«
    Martine nickte und legte ihr Nähzeug fort. Sie wusste, wo Laken, Kissen und Polster zu finden waren.
    Kurz darauf brachten Klingsohr und Stephan den bewusstlosen Hagan die Stiege nach oben. Vorsichtig legten sie ihn auf dem Bett ab. Inocenta folgte mit Leinentüchern und ­Salbentopf.
    »Seine Wunden müssen versorgt werden, nehme ich an. Holt mir einen Eimer Wasser und Tücher.«
    Laure betrachtete Hagan, der noch immer in die raue, graue Decke gewickelt auf dem Lager ruhte.
    »Er ist bewusstlos«, stellte sie fest.
    »Bertrand hat ihm Laudanum eingeflößt. Wir wollten seine Pein nicht noch vergrößern. Die Fahrt in dem Karren ist schon für einen Gesunden eine Strapaze.«
    »Ja, gut.«
    Er schien friedlich zu schlafen, doch verkrustetes Blut klebte an seinem Bart. Sie bat Stephan, ihr zu helfen, seine Schultern anzuheben, und zog dann die Decke fort, um sich ein Bild von seinen Wunden zu machen.
    »Oh, mein Gott!«, keuchte sie.
    »Verdammt«, knurrte Piet.
    Stephan drückte sich die Hand auf die Lippen.
    Inocenta sagte nichts. Sie tauchte ein Tuch ins Wasser und begann sehr vorsichtig, das Blut von seinem Körper zu waschen. Auf seiner Brust kam eine rote, geschwollene Brandwunde zum Vorschein – die Dornenranke.
    Auch wenn sich ansonsten unter Blut und Schmutz keine großen, klaffenden Wunden verbargen, die vielen kleinen Brand- und Schnittwunden befanden sich an Stellen, die höchst empfindlich waren.
    »Das hat eine Frau getan«, sagte die Zwergin leise. »Ein vollkommen entartetes Weib.«
    »Die Mater Dolorosa«, flüsterte Stephan heiser. »Sie muss irre sein.«
    »Verlasst den Raum, Piet, wir brauchen Platz.«
    »Sogleich.«
    »Und lasst Melle nicht hochkommen, bevor wir ihn versorgt haben.«
    »Ich achte darauf. Und, Frau Laure, Bertrand ist zu Upladhin geritten. Er will ihn bitten, ein paar vertrauenswürdige Männer für Schutz und Wache herzusenden. Wenn Ihr hier fertig seid, müssen wir miteinander reden.«
    »Natürlich.«
    Inocenta und sie tupften und salbten und legten Verbände an – dort, wo es möglich war. Mehr als einmal stöhnte Hagan, doch wachte er nicht auf. Erst als sie ihn mit einem weichen Laken zugedeckt hatten, flatterten seine Lider.
    Laure strich ihm über die Wange.
    »Ihr seid in Sicherheit, Hagan.«
    »Laure«, flüsterte er. »Licht.«
    »Es ist heller Tag, Hagan. Kannst du nichts sehen? Sind deine Augen verletzt?«
    »Nein. Du. Bist. Licht.«
    Dann schloss er die Lider und versank in tiefen Schlaf.
    Erschüttert blieb Laure bei ihm sitzen und streichelte seine Haare und sein Gesicht. Was musste er durchgemacht haben, wie sehr hatte er gelitten! Die Verletzungen waren gemein, und die Art, wie sie ihm zugefügt worden waren, zeigte, dass sie darauf zielten, ihn zu demütigen. Er hatte nicht nur äußere Wunden erhalten, man hatte auch seine Seele verletzt.
    Die einen würden bei guter Pflege bald heilen – die anderen? Albträume mochten ihn noch lange heimsuchen.
    Inocenta trat leise ein, einen Topf mit Brühe in der Hand.
    »Er muss trinken und Stärkung zu sich nehmen, Frau Laure. Wir müssen ihn aufwecken.«
    »Er war eben kurz wach.«
    »Gut, dann versuchen wir es noch einmal.«
    Als er wieder schlief, ging Laure hinunter, um Piet und Melle zu suchen, um sich erzählen zu lassen, was geschehen war.
    Schweigend hörte sie zu, bis Piet schloss: »Der Ritter Lothar ist in der

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