Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
die Ausbildung zuständig und ein sehr strenger Lehrer. Von mir verlangte er immer mehr als von den anderen Anwärtern. Belohnung war uns immer ein wohlwollender Blick der Damen, ein freund­liches Wort, eine liebevolle Geste.«
    »Ihr habt die Damen aber nicht nur beschützt, sondern auch bewacht.«
    Piets Stimme klang hart.
    »Ja, auch das wurde mehr und mehr von uns verlangt.« Lothar vergrub das Gesicht in den Händen. »Auch ein Grund, warum ich dieser Hölle entfliehen muss. Ich habe Dinge mit ansehen müssen …«
    »Dazu kommen wir später. In jenen Kellergewölben verbirgt sich etwas, um das ein großes Geheimnis gemacht wird. Erzählt uns davon.«
    »Ein Geheimnis, ja. Um dessentwillen von uns ein Schwur verlangt wurde. Ein Schweigegelübde, das, wenn es gebrochen wird, mit dem Tod bestraft wird. Keinem leichten Tod allerdings. Und einen Vorgeschmack der Schmerzen haben wir alle schon erfahren. Als wir unser Leben der Mater Dolorosa geweiht haben, hat sie uns dafür eigen­händig ein Brandmal aufgedrückt.«
    »Eine Dornenranke über Eurem Herzen.«
    »Jungfer Melle?«
    »Ich sah es, als Ihr die beiden Söldner erschlugt. Im Wald oben. Ich hatte mich auf einen Baum geflüchtet.«
    Sprachlos sah Lothar sie an. Dann nickte er.
    »Ihr seid eine kluge Maid.«
    »Ich hatte Angst.«
    »Sehr klug.«
    »Warum habt Ihr sie umgebracht?«
    »Man hat sie ausgeschickt, mich zu töten, weil ich meinen Auftrag nicht erfüllt hatte. Das Buch, das die Mater Dolorosa bei der Einsiedlerin wähnte, habe ich nicht bei ihr gefunden.«
    »Den Tod der Söldner hat sie Euch also verziehen, Lothar?«, fragte Piet.
    »Ja. Versteht, ich habe nicht nur das Schweigegelübde abgelegt, ich bin noch auf eine ganz eigene Art an sie gefesselt – an die Mater Dolorosa. Sie hat ihren Namen nicht gewählt, Piet, weil sie selbst vor Schmerzen zerrissen ist, wie Maria es war, als sie unter dem Kreuz stand. Sie ist die Mutter der Schmerzen, und sie liebt es, sie anderen zu bereiten. Vor allem Männern. Jungen Männern. Die verschleierten Damen sind keine Damen.«
    »Ehemalige Huren, ich weiß.«
    »Ja, und sie haben es darauf abgesehen, die jungen Knappen und Ritter zu verführen. Waren sie den Pagen gegenüber noch liebevoll, sogar mütterlich, ändert sich das rasch, wenn sie mit vierzehn zu Knappen werden. Ich erlag der Versuchung.«
    »Und wurdet bestraft.«
    »Mein Vater selbst sollte die Züchtigung übernehmen. Vor den Frauen. Und den anderen Wächtern. Zur Abschreckung.«
    »Was tat man Euch?«, flüsterte Melle erstickt.
    »Das braucht Ihr nicht zu wissen, Jungfer Melle.«
    »Doch.«
    »Sie ist klug, und sie wird verstehen. Sprecht.«
    »Ich wurde ausgepeitscht, bis ich fast die Besinnung verlor, dann sollte mein Vater mich kastrieren. Die Mater Dolorosa jedoch schritt kurz vorher ein und verhinderte die Verstümmelung. Dafür verlangte sie einen persön­lichen Treueid von mir. Ein Leibeigener, Piet, hat mehr Freiheiten als ich. Sollte ich je gegen ihre Weisungen verstoßen, wird sie persönlich dafür sorgen, dass die Züchtigung vollendet wird. Dass sie dazu bereit und in der Lage ist, beweisen zwei andere unverheiratete Ritter …«
    »Und Pater Daniel wollte mich glauben machen, dass es keine Hölle gibt«, sagte Melle leise. »Aus welchem Loch ist diese Frau denn sonst gekrochen?«
    »Glaubt mir, Jungfer, es gibt eine Hölle. Nicht nach dem Leben, sondern hier im irdischen Dasein. Euer Vater wird es Euch bestätigen können.«
    »Hat sie ihn …«, fragte Piet.
    »Hat sie noch nicht. Aber es wäre bald geschehen.«
    »Warum nun habt Ihr ihn befreit, Lothar?«
    »Weil es ein Ende haben muss. Ich habe so viele ihrer Gräueltaten mit angesehen, ich muss meinen Schwur brechen. Ihr, Piet, und Ihr, Jungfer, wohnt derzeit in Brück, in dem Gasthof von Frau Laure, nicht wahr?«
    »Ihr habt uns beobachtet?«
    »Nein, aber es liegt nahe. Melle hat mich im Kampf mit den Söldnern im Wald dort gesehen, der Mann, der sich als Magister Hagan ausgab, hat uns eine versponnene Geschichte erzählt von Vaganten und einer Reise von Konstanz. Sie wird in weiten Zügen wahr sein. Aber er verschwieg trotz größter Folter Euren Namen, den seiner Tochter und den von Frau Laure. Doch als die Qual nicht mehr zu ertragen war, rief er nach ihr. Ich weiß recht wohl, wie Menschen in großer Not reagieren. Das, was man unbedingt, auf jeden Fall und um des Lebens willen verschweigen will, entfährt einem irgendwann unwillkürlich.«
    Melle zog die Decke

Weitere Kostenlose Bücher