Die Gefährtin des Vaganten
dass es Euch schmeckt.«
»Könnte ich.«
Er aß auch die dritte Pastete, und die vierte teilten sie sich.
»Herr Vater?«
»Ja, Melle?«
»Ich … ich habe so allerlei über Euch erfahren. Ich meine, so wegen Speyer und so.«
»Dass ich dort Bischof war?«
»Ja, und eine reiche Pfründe hattet und alles. Ich meine, was wird denn jetzt sein? Weil … zurück werdet Ihr ja wohl nicht gehen können, oder?«
»Weder können noch wollen, Melle. Sag, machst du dir etwa Sorgen um meine Zukunft?«
»Na ja. So ein bisschen. Wollt Ihr bei den Vaganten bleiben?«
»Das hättest du wohl gerne?«
»Schon, aber Ihr … Ihr seid ein anderes Leben gewöhnt. So als Bischof und so.«
»Ich kann mich gut anpassen, Melle. Und ich habe auch schon andere Zeiten erlebt, wie du sicher auch erfahren hast.« Er sah zu ihr auf, und sie fühlte sich unbehaglich, weil sie in seinem Leben herumstocherte. Aber er lächelte – und das sah in seinem bartlosen Gesicht so ganz anders aus. »Nein, das Leben auf den Landstraßen behagt mir nicht mehr. Ich habe noch ein paar Dinge zu klären, dann kann ich eine Entscheidung treffen, wie ich künftig leben werde. Keine Sorge, Kind, am Bettelstab werde ich nicht gehen, und für dich wird, neben dem Geld, das deine Mutter dir hinterließ, noch genug für eine Mitgift übrig bleiben, die dich für jeden Mann annehmbar machen wird.«
»Aber ich bin ein Bastard.«
»Auch das werde ich regeln.«
»Könnt Ihr das?«
»Natürlich.«
Melle schnappte nach Luft. Er sagte das so selbstsicher, als hätte er die Macht dazu.
Wahrscheinlich hatte er sie.
»Wer seid Ihr, Herr Vater?«
»Auch ein Bastard.«
»Ja, aber …«
»Vertraust du mir noch eine Weile, Melle?«
Eine Welle von Zuneigung durchwogte sie. Ja, sie vertraute ihm, und Vertrauen hatte er verdient.
»Ja, Herr Vater, ich vertraue Euch.«
»Danke.«
39. Erkenntnis
Und ein Buch wird aufgeschlagen,
treu darin ist eingetragen,
jede Schuld aus Erdentagen.
Dies irae
Stephan van Horne hatte seine schlimme Erkältung ganz offensichtlich überwunden, stellte Laure fest. Er hütete nicht mehr sein Lager, sondern wurde unruhig, wanderte ständig trübsinnig durch die Gärten oder hockte stumm in der Gaststube. Immerhin, er war ein angesehener Orienthändler, und sie konnte ihn nicht einfach zu irgendwelchen Handlangerdiensten verpflichten. Aus Hemma hatte er nicht viel herausbekommen, aber er saß jeden Vormittag eine Weile bei ihr und plauderte über ihre Zeit in Efferen mit ihr. Das half Hemma offensichtlich, ihre Sprache wiederzufinden. Klar und deutlich konnte sie nicht sprechen, auch kam vieles stockend, so als ob sie nach verlorenen Worten suchte, aber sie konnte sich verständlich machen.
Piet, Inocenta und Klingsohr waren nach Koblenz aufgebrochen, um einen der erzbischöflichen Kuriere abzufangen. Ob das gelingen würde, war für sie zumindest zweifelhaft. Die Botschafter, die in ihrem Gasthof Rast machten, verwahrten ihre Dokumentenrolle immer äußerst umsichtig in dem versiegelten Kurierstab.
Aber darüber, wie die drei an die Nachricht gelangen konnten, wollte sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Es gab genügend andere Dinge zu bedenken.
Olaf war ein paarmal da gewesen und hatte ihr brüderlich seine Hilfe bei etlichen Reparaturen angeboten. Es war sehr hilfreich, einen guten Zimmermann bei der Hand zu haben. Und heute wollte er wieder hoch in den Wald gehen, um weiter an der Klause zu arbeiten. Eigentlich ein unsinniges Unterfangen, denn Hemma würde dort auf keinen Fall mehr alleine leben können.
Andererseits – vielleicht mochte es Stephan von seiner Trübsal ablenken, ihrem Bruder bei der körperlich schweren Arbeit zur Hand zu gehen. Und der Wald, bunt jetzt zu Beginn des Herbstes, übte auf sie selbst immer eine lindernde Wirkung aus. Mochte sein, dass auch er etwas davon spürte.
Laure straffte sich, gab einer Magd noch ein paar Anweisungen und suchte dann Stephan auf. Er wanderte wieder hängeschultrig zwischen den Obstbäumen herum und stieß das Laub mit den Füßen vor sich her.
»Fühlt Ihr Euch wieder wohl, Stephan? Ich glaube, Euer Husten hat sich gelegt.«
»Doch, ja, Frau Laure. Dank Eurer Pflege.«
»Ja, und dank Eurer Geduld kann auch Frau Hemma wieder ein wenig besser sprechen.«
»Mhm.«
»Das ist gut, denn sie hat etwas auf dem Herzen, das sie allzu sehr bedrückt. Hat sie Euch vielleicht anvertrauen können, was so sehr auf ihr lastet?«
Es war möglicherweise etwas sehr
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