Die Gefährtin des Vaganten
einigermaßen erfasst zu haben, summte sie mit. Seit ihr Vater wieder zu Hause war, fühlte sie sich, als sei ihr eine Last von den Schultern genommen worden. Vor allem jetzt, da es ihm wieder besser ging.
Und besser ging es ihm, denn er hatte auf lustige Weise gegrollt, die Zeit des Breilöffelns sei nun vorbei und er wolle wieder essen wie ein Mann. Also hatte Frau Laure ihr vorgeschlagen, gemeinsam den heidnischen Kuchen zu backen.
Und dazu gehörten rotes Fleisch, geräucherter Speck und allerlei deftige Gewürze. Frau Laure knetete aus Mehl, Eiern und Schmalz einen Teig und wies Paitze, die die Äpfel nun auch klein gehackt hatte, an, Knoblauchzehen zu pellen und zu zerkleinern. Als das Fleisch zu einer feinen Masse verarbeitet war, schnitt Melle den Speck in Würfel und vermischte auf Frau Laures Anweisungen beides mit den Äpfeln, dem Knoblauch, Salz, gerebeltem Thymian und Majoran und Eiergelb. Währenddessen rollte Laure selbst den Teig zu dünnen, runden Fladen aus. Dann legten sie die Fleischmasse in die Mitte und schlugen den Teig darüber zusammen. Zwölf solcher Taschen lagen bald auf einem Backblech, das Melle nach draußen zum Backes brachte. Da Elseken morgens Brot gebacken hatte, war er noch heiß genug, sodass diese Fleischkuchen nach einer Stunde knusprig und goldbraun geworden sein würden.
Er war tapfer, ihr Vater. Und sie bewunderte ihn dafür. Irgendwie war er so ganz anders als die Männer, die sie kannte. Pfarrer Daniel war sanft und gelehrt und auch ein wenig weltfremd gewesen. Ihre Mutter hatte ihm – als seine Haushälterin und Konkubine – alle praktischen Dinge abgenommen. Der Mann der Muhm war ein gieriger Schleimer, der angefangen hatte, hinter ihr herzugrapschen. Er mochte ein guter Steinmetz sein, aber darüber hinaus war er ziemlich dumm. Ein bisschen so wie Goswin. Der Geselle Jochen war ganz nett, aber er ließ sich alles von dem rüpelhaften Wagner gefallen. Klingsohr war gewitzt, listig und lustig, aber er war ein Jammerlappen, sowie er auch nur den kleinsten Schmerz erlitt. Bertrand war da schon aus härterem Holz geschnitzt, hatte Sinn für alles Praktische, aber schwierige Gedanken scheute er. Der Stelzengeher, der jetzt mit Jurg und dem Affen wieder unterwegs war, war ein lustiger Kerl, aber er hatte sich immer um alles gedrückt, was er nicht gerne machte.
Piet hingegen war ihrem Vater in gewisser Weise ähnlich. Klug, von schnellem Witz und großem Wissen. Dazu stark und bereit, in einem Kampf seinen Mann zu stehen.
Wie hatte sie ihrem Vater nur unterstellen können, dass er lediglich die Feder zu schwingen in der Lage sei. Sie musste wirklich mit Blindheit geschlagen gewesen sein.
Matti trottete mit einer Maus im Maul um die Ecke der Scheune. Schwanz hoch, Ohren spitz, ein siegesgewisses Maunzen in der Kehle, kam er auf sie zu.
»Nein, Matti, ich mag keine Maus.« Aber dann fiel ihr etwas ein. Das arme Frettchen war so unglücklich darüber, dass es seinen Gefährten verloren hatte, und fraß nichts mehr. Vielleicht würde es ihm gefallen, wenn der Kater ihm die Maus brachte.
Kurz entschlossen schnappte Melle sich den Kater und trug ihn die wenigen Schritte zu dem Lager der Rattenfängerin. Sacht setzte sie Matti neben dem Korb ab, in dem das Frettchen schlummerte.
Matti schien zu verstehen. Oder war es Zufall? Auf jeden Fall ließ er die Maus vor die Nase des traurigen Pelzchens fallen. Kulleraugen öffneten sich, die Nase bebte, Schnurrhaare zitterten – und der Jagdinstinkt brach sich Bahn.
Matti sah zu, wie das Frettchen die Maus verzehrte, und putzte sich dann gründlich Pfoten und Gesicht.
»Kriegst nachher von der Füllung der Heidentorte«, versprach Melle ihm und streichelte beide Tiere. Matti hatte schon öfter mal die schlafenden Frettchen beschnüffelt, die hatten ihm aber wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sie waren mit sich selbst zufrieden gewesen. Jetzt aber schien sich eine gegenseitige Neugier zu entwickeln, und zufrieden betrachteten die Rattenfängerin und Melle, wie die beiden einander umschlichen.
»Sie ist einsam, die Frett. Vielleicht hilft ihr der Kater.«
»Tut mir so leid, dass das andere mir entwischt ist.«
»Ja, das ist traurig, Kind. Aber wichtiger ist der Magister. Ist ein feiner Mann, der. Und er sitzt auch nicht auf den Dukaten. Obwohl – man weiß ja nicht, wie’s weitergeht, nicht?«
Das war ein völlig neuer Aspekt für Melle. Sicher, ihr Vater hatte immer Geld zur Hand. Ein wenig Nachfragen entlockte der
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