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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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darunter waren Muskeln sichtbar geworden, seine Beine waren wieder ausdauernd im Marschieren, seine Arme und Schultern kräftig vom Tragen der Kraxe und seine Hände schwielig von den allfälligen Arbeiten.
    »Wo wollt ihr heute Nacht rasten?«, fragte er die Zwergin, die trotz ihrer kurzen Beine ein gutes Tempo hielt.
    »Mannheim, ein Fischerdorf am Rhein. Hat eine Zollfeste, weshalb die Tavernen von den Rheinschiffern gut besucht sind.«
    »Wie weit?«
    »Wird wohl bis zum Abend dauern, bis wir dort sind. Aber für uns alle wird es gut sein, großen Abstand zwischen uns und die leeren Truhen zu legen.«
    »Welche Truhen?«
    »Mann, Bischof, ich bin doch nicht blöd.«
    »Mann bin ich schon, Bischof nicht mehr.«
    Inocenta lachte.
    »Hast den Zölibat abgelegt, was?«
    »Je nun …«
    »Hah, nie dran gehalten, was? Ist auch eine bescheuerte Regel und bringt nur Geld in die Kassen der Ablasshändler.«
    Inocenta stapfte weiter, und Hagan schwieg. Was sollte er erwidern? Sie hatte recht.
    Sie fanden ein Gasthaus nahe dem Rhein. Piet gab sich knauserig und handelte mit dem Wirt gnadenlos den Preis herunter. Hagan bewunderte seine Kunst; er hätte gezahlt, was verlangt wurde. Aber Inocenta zischelte ihm zu: »Besser, man hält uns für arme Schlucker.«
    Es leuchtete ihm ein, und so gab er sich damit zufrieden, das muffige Bett mit dem Anführer und dem Löffelschnitzer zu teilen. Dem Äffchen aber, so grummelte er, wolle er keinen Platz unter seiner Decke bewilligen.
    Doch bevor sie die Schlafkammer aufsuchten, versammelten sie sich in der Schankstube, um das Abendmahl einzunehmen. Es wurde gesellig, denn Jurg, der junge Bursche, jonglierte mit allem, was ihm in die Finger fiel, das Äffchen machte sich erbötig, den Gästen die Haare zu lausen, und der Stelzenläufer stellte seine Fertigkeit bei Fingerschattenspielen zur Schau. Zum Dank wurde ihnen Bier ausgeschenkt, und wenn die Tische auch schmierig waren, der Eintopf war reich an fetten Würsten, und das Brot enthielt nur wenig Steingrieß.
    Flussschiffer, Händler und Handwerker, drei, vier Dirnen, die ihnen ihre Dienste anboten, ein staubiger Kurier und zwei wandernde Scholaren hatten sich zusammen­gefunden, und wie immer in derartigen Gasthäusern tauschte man Neuigkeiten aus.
    Hagan aß schweigend und lauschte müde dem Stimmengewirr. Seine Aufmerksamkeit wurde erst wieder geweckt, als jemand über das Konzil sprach, der offenbar erst kürzlich in Konstanz gewesen war.
    Papst Johannes XXIII . hatte seine Absetzung akzeptiert, die beiden anderen Päpste, Gregor XII . und Benedikt XIII . klammerten sich nach wie vor an die Rechtmäßigkeit ihres Amtes. Doch der Kurier schnaufte nur verächtlich. Vielleicht wusste er schon mehr, vermutete Hagan. Dennoch hörte er aufmerksam zu, ob irgendjemand etwas über den verschwundenen Bischof von Speyer zu sagen wusste, aber augenscheinlich verblasste sein Schicksal gegenüber den Schandtaten des Johannes, von dem es nun hieß, er habe seinen Vorgänger, Papst Alexander, mit einer passenden Dosis Gift aus dem Weg geräumt. Außerdem habe er sich die Schwester des Kardinals von Neapel als Konkubine gehalten und Ehebruch mit der Frau seines Bruders getrieben. Dagegen war ein ersoffener Weihbischof wirklich keine Silbe wert. Immerhin schnappte Hagan auf, dass der Berater des Erzbischofs Dietrich, den er in Straßburg einen schnellen Segler mieten gesehen hatte, wohlbehalten in Köln eingetroffen war. Er würde alle Hände voll zu tun haben, dachte Hagan, denn wie es schien, lag Dietrich von Moers wieder einmal – oder immer noch – in Fehde mit den Bergischen.
    Dietrich war ein Streithahn.
    Hagan nahm einen Schluck des verwässerten Weines und folgte träge dem Hütchenspiel, das Inocenta mit einem der Scholaren begonnen hatte.
    »Betrüger! An den Pranger müsst man Euch stellen. Gepantschten Wein auszuschenken! Das Gesöff soll aus Burgund stammen?«
    Ein Gast war aufgesprungen und beschimpfte den Wirt lauthals. Der, auch nicht maulfaul, unterstellte dem Mann, ihm einen falschen Silbergroschen angedreht zu haben. Der Gast schmähte die Qualität der Speisen, das alt­backene Brot, die ranzige Butter. Der Wirt nannte ihn einen Zechpreller und Trunkenbold, und die ganze An­­gelegenheit wollte in Handgreiflichkeiten übergehen. Ein älterer Mann, der alleine am Kamin gesessen hatte, stand plötzlich auf und stellte sich neben den aufgebrachten Gast.
    »Meister Hildebrandt – so ruft man Euch doch, nicht wahr?«, fragte

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