Die Gefährtin des Vaganten
vom Kreuz? Wissen sie nicht, dass sie damit übers Ohr gehauen werden?«
»Nein, wissen sie nicht, Piet.«
»Glaubst du daran, dass dieses Zeug Wunder wirkt?«
»Glauben ist so eine ganz besondere Sache, Piet. Vor allem, wenn man Angst hat, nicht weiß, wie es weitergeht, wenn man nicht weiß, wo man Hilfe bekommt in Not und Sorgen.«
»Ich kenne da welche, die springen ins Wasser und spielen der Welt ihren eigenen Tod vor.«
»Andere lernen mit einer Hand Messer zu werfen.«
»Mpf.«
Piet ging eine Weile schweigend neben ihm her.
»Solche wie wir, meinst du, brauchen das heilige Zeug nicht, weil wir daran gewöhnt sind, uns selbst zu helfen?«
»So ungefähr.«
»Ich hab dich noch nie gefragt, was du getan hast, bevor du Bischof wurdest.«
»Ist auch besser so. Dass die Leute an die Reliquien glauben, liegt daran, dass man ihnen Geschichten dazu auftischt.«
Piet schwieg einen Moment, dann ging er auf Hagans Aussage ein.
»Ja, Geschichten. Wir erzählen auch Geschichten und unterhalten die Leute. Aber sie glauben die unseren nicht. Die der Priester glauben sie. Da magst du recht haben.«
»Nimm den Kot der Eselin, auf der Jesus geritten ist. Es ist eine schöne Bibelstelle, die erzählt, wie das treue Tier unseren Erlöser nach Jerusalem trug. Man kann sie prächtig ausschmücken und dem Tier allerlei erhebende Gefühle andichten.«
»Ein gesegnetes Tier, und prompt ist auch die Scheiße gesegnet, die es auf die Straße fallen lässt.«
»So ungefähr.«
»Wenn ich also aus einer Handvoll Dreck Gold machen will, erfinde ich eine schmucke Legende darum. Es werden sich schon genug Tröpfe finden, die sie mir abkaufen und sie für die wunderwirksame Hinterlassenschaft eines Heiligen oder Jesus selbst halten.«
»So läuft das.«
»Schön, dann machen wir das.«
»Hilfreich sind dabei übrigens auch Dokumente, die die Echtheit bezeugen.«
»Ja, Magister, das wäre auch sehr hilfreich. Hast du genügend Pergament in deinem Beutel?«
»Wenn du mir sagst, welche Form der Devotionalien dir vorschweben. Aber sei gewarnt, die Äppel unseres Esels erkläre ich nicht für heilig.«
» Pecunia non olet. «
»Nein, Geld stinkt nicht, Scheiße schon.«
Sie erreichten Worms am Abend, lagerten wieder vor den Stadtmauern und spannen sich Geschichten zu möglichen Reliquien zusammen. Doch die meisten waren so absurd, dass Hagan sie samt und sonders verwarf. Ganz wohl war ihm letztlich bei der Sache nicht mehr. Es war, das ging ihm immer mehr auf, eigentlich ein betrügerisches Verhalten.
Aber die Truppe hatte Blut geleckt, und als zwei Tage später auf dem Markt ein Wanderprediger seine Stimme erhob, da zupfte Inocenta Hagan am Ärmel und zog ihn mit zu der Stelle, wo man seine Worte gut verstehen konnte. Man lauschte gebannt der biblischen Mär, die er in bunten Farben ausmalte. Eben schilderte er das Treffen zwischen Nikodemus und Jesus.
»Es war Nikodemus, der Führer der Juden, der Jesus bei Nacht aufsuchte und mit ihm disputierte. Ein gelehrter Mann, der wissen wollte, auf welche Weise die Menschen wiederauferstehen würden. Weil doch, wer alt geworden ist, nicht wieder in seinen verrotteten Leib zurückfahren könne. Schrecklich, diese Vorstellung – Ihr, Alter, gichtig und verkrümmt, würdet auferstehen in diesem gebrechlichen Körper. Ha, und die Aussätzigen in ihren grindigen Leib und die Verstümmelten in ihre zerbrochenen Glieder fahren.«
Ein Murren ging durch die Menge, und Piet nuschelte: »Besser, wir sterben also in der Blüte unseres Lebens.«
Hagan gab ein leises Prusten von sich.
»Aber Jesus belehrte den Nikodemus, dass es anders sein wird, weil nicht das Fleisch auferstehen werde, sondern der Wind, der das Fleisch beseelt. Der Geist ist es, der in den Himmel aufsteigt und dort geboren wird.«
»Mist!«, sagte Inocenta. »Und ich dachte, ich käme mit langen, geraden Gliedern zurück.«
»Vielleicht klappt das ja in der Hölle«, gab ihr Klingsohr, der Fiedler, zu verstehen.
Das Geplänkel lenkte Hagan einen Augenblick von dem Prediger ab, und er hörte ihn erst wieder, als er von der Grablegung berichtete.
»Der Joseph von Arimathäa gab sein eigenes Grab für Jesus, und dort legten sie seinen Leichnam in blutige Tücher gewickelt nieder. Und Nikodemus brachte Myrrhe und Aloe und würzige Kräuter und Binden, und sie wollten ihn mit wohlriechenden Ölen salben und mit reinem Leinen binden, aber der Sabbat brach an, und alle Arbeit musste ruhen. Und so verschlossen sie
Weitere Kostenlose Bücher