Die Gefährtin des Vaganten
Schüsseln zu reinigen.«
»Aber …«
»Schluss jetzt.«
Schmollend und mit äußerster Langsamkeit bewegte sich Melle zum Bächlein.
Hagan musste zugeben, dass Piet ein hervorragender Anführer war. Die Leute gehorchten ihm – er hatte eine natürliche Art, die kaum barsche Befehle notwendig machte. Er war schweigsam, und seine Vergangenheit hüllte er in undurchdringliches Dunkel. Und dennoch war es Hagan gelungen, das eine oder andere daraus zu erfahren und sich ein bestimmtes Bild von ihm zu machen. Jetzt legte Piet ihm die Hand auf die Schulter.
»Du wirst ihr mehr erzählen müssen. Sie ist ein kluges Kind und reimt sich viel zusammen. Warum spielst du ihr den Feigling vor?«
»Dann wird sie mich leichter vergessen können.«
Piet stand auf.
»Komm mit!«
Hagan folgte ihm.
Eine Weile gingen sie nebeneinander her, bis sie außer Hörweite waren. Ein altes Hügelgrab ragte moosbedeckt aus dem belaubten Boden hervor, Piet erklomm es und setzte sich. Hagan nahm an seiner Seite Platz.
»Ich verstehe ja, dass du zunächst deine Angelegenheiten klären willst. Aber wer soll, falls du die Jagd nicht überlebst, dem Mädchen die Wahrheit sagen?«
»Muss sie sie kennen?«
»Sicher nicht. Kennst du die Wahrheit über deinen Vater?«
»Verdammt. Verdammt. Verdammt!«
»Tja.«
Hagan knetete sich die Stirn und zauste sich dann die Locken.
»Ja, ich werde ihr wohl das eine oder andere sagen müssen.«
»Nur so wirst du ihr Vertrauen gewinnen.«
»Mann, Piet, ich vertraue dir auch, ohne dass du mir deine Geschichte erzählst.«
»Wir sind Männer, Bischof.«
»Und du kein geborener Vagant, Doktor Piet.«
Piet lachte kurz.
»Mein Küchenlatein?«
»Ein bisschen mehr als das.«
»Ja, vermutlich. Was meinst du?«
»Domschule, Studium, vermutlich Juristerei, Mist gemacht, in Kämpfe verwickelt, von der Familie verstoßen …«
»Trifft’s im Großen und Ganzen. Mein Vater war ein Edelknecht, sein Lehnsherr schickte mich mit seinen Söhnen zur Schule. Und auch Jagd und Kampf lernte ich mit ihnen zusammen. Ja, Juristerei und Theologie habe ich studiert, sollte Verwalter und Kaplan werden. Wenn mein dummes Maul nicht gewesen wäre, hätte ich das auch werden können.«
»Theologie. Immerhin, das ist mehr, als ich studiert habe.«
»Womit man mal wieder sieht, welch fundierte Bildung unsere geistlichen Hirten vorweisen.«
»An höchster Stelle vorgelebt.«
»Wohl wahr, doch hört man das nicht gerne, und weil ich solcherlei Ketzereien vor den falschen Ohren ausgesprochen habe, betrachtete man mich als Feind der Kirche.«
»Inquisition?«
»Oh ja. Und was man noch so alles an Wahrheiten aus einem Mann herauspressen kann, wenn man die Folter einsetzt, ist schon erstaunlich.«
Hagan ließ seinen Blick über den leeren Ärmel streifen.
»Du kamst dennoch frei.«
»Freunde halfen mir zur Flucht. Doch geopfert habe ich dafür den Arm.«
»Und deinen Namen, Amt und Titel.«
»Das leichtere Opfer.«
»Ja, ich weiß.«
»Natürlich weißt du, Bischof Hagan von Dingenskirchen.«
»Ach, sei still.«
»Deine Tochter hat ein Anrecht auf ihr Erbe, oder nicht?«
»Ein Bastard erbt nicht.«
»Ein Bastard kann anerkannt werden. Wenn du juristischen Rat benötigst …«
Hagan knurrte: »Nicht notwendig. Wie bist du zu der Vaganten-Truppe gekommen, wohledler Herr?«
»Jetzt hast du es mir aber gegeben.«
Hagan schnaubte kurz.
»Sie haben mich bei den Benediktinern abgeladen, in einem Hospiz. Die haben den Arm amputiert und mich gepflegt – zusammen mit den Armen, die sich im Winter dort eingefunden hatten. Das war vor zwölf Jahren – so um die Zeit, als du dich mit Melles Mutter in Darmstadt vergnügt hast.«
»Mhm.«
»Oder schon ein Amt in Speyer übernommen hast. Was denn? Als Domherr?«
»Was bringt dich zu der Annahme?«
»Das lässt sich zusammenreimen, Bischof.«
»Ja, lässt es sich, wenn man weiß, wie diese Dinge geregelt werden.«
Piet nickte und fuhr mit seinem Bericht fort.
»Als ich kräftiger wurde, versuchte ich, einen Weg zu finden, weiterzuleben. Es gab da einen alten Mann im Hospiz. Ohne den hätte ich es wohl nicht geschafft. Er war der Anführer einer Schaustellergruppe, doch seine Lungen waren krank, sodass sie ihn bei den Mönchen gelassen hatten. Je nun, er war ein Schelm, doch ein kluger, und er zwang mich, mit meinem rechten Arm zu üben. Das Messerwerfen verdanke ich ihm. Er starb drauf im Frühjahr, und die Gruppe drohte sich aufzulösen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher