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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ein angesengter Lederschuh. Die Klinge eines Messers. Doch zum Glück kein mensch­licher Leichnam.
    »Sie scheint sich gerettet zu haben«, stellte er fest, und Melle war erleichtert. Sie gingen aus den Resten der Hütte und Piet sah sich um. »Umrunden wir die Lichtung. Achte auf Spuren.«
    »Ich kann keine Spuren lesen.«
    »Achte auf alles, was dir seltsam vorkommt.«
    Sie trennten sich, Piet ging nach rechts, Melle begann die Runde nach links. Ein kleiner Teich, durch eine Quelle gebildet, wirkte unberührt. Etwas weiter aber fand sie ­zertretenes Gras, vielleicht von Stiefeln, vielleicht aber auch von einem großen Tier. Ein Büschel grauer Haare hing an einem dornigen Strauch. Sie pflückte es ab. Und dann fand sie tatsächlich etwas Ungewöhn­liches. Beinahe hätte sie es übersehen, denn das braune Laub verdeckte das ebenso braune Leder beinahe. Aber ihr Fuß traf etwas Hartes, und ein winziges Aufblinken sagte ihr, dass es kein Ast war.
    Es war der Griff eines Dolches. Er steckte in einer verzierten Scheide, doch die Lasche, mit der diese sicher an einem Gürtel befestigt gewesen war, war zerrissen.
    »Piet?«
    Er kam mit langen Schritten auf sie zu.
    »Nein, sie ist nicht freiwillig von hier fortgegangen, auch ich habe Spuren gefunden – solche von Flucht und Verfolgung. Und von einem Wolf. Gehen wir zurück, Kind, hier können wir nichts mehr ausrichten.«
    Da Piet schweigsam war, blieb Melle es auch, aber es fiel ihr nicht leicht, ihre Fragen zurückzuhalten. Eine fromme Einsiedlerin war hier überfallen worden. Warum taten Menschen so was?
    Um die Mittagszeit erreichten sie das Lager wieder, und Piet gab den Gefährten eine Zusammenfassung von dem, was sie entdeckt hatten.
    »Wir haben eine Klause gefunden, aber sie war zerstört und die Bewohnerin verschwunden. Eine Pilzsammlerin sagte, sie habe den Ruf eines Friedensengels.«
    »Dann ist der Engel wohl weggeflogen«, sagte Klingsohr und machte mit den Händen Flugbewegungen.
    Piet nickte.
    »Man hat ihr Heim verwüstet, ihre wenigen Habseligkeiten auseinandergerissen, und ihrer Spur folgten Männerstiefel.«
    »Und ich hab das hier gefunden.«
    Melle zeigte einen Dolch in einer Scheide vor.
    »Ein hübsches Stück«, sagte der Magister und betrachtete die gepunzte Scheide.
    »Den behalte ich!« Melle entzog ihm das Messer. »Kann ich mehr mit anfangen als Ihr.«
    »Hoffen wir, dass der Frau wirklich Flügel gewachsen sind, sonst wird man uns wohl überaus scheel ansehen. Vor allem, wenn einer von uns eine Waffe bei sich trägt, die jemand wiedererkennen könnte, Melle«, sagte Piet ernst.
    »Oh, ja, ja. Ich zeig sie niemandem. Ist sowieso besser.« Und dann machte sie einen unerwartet schelmischen Augenaufschlag zu ihm hin. »Aber du zeigst mir doch, wie man es wirft, Piet?«
    »Ich zeige dir, wie man damit Fische ausnimmt. Davor drückst du dich nämlich gerne.«
    »Ooch.«
    »Und ich zeige dir, wie man damit Löffel schnitzt, das ist auch eine wertvolle Tätigkeit«, meinte Bertrand.
    »Nööö.«
    »Ich bin gerne bereit, dir zu zeigen, wie man damit Bärte schert«, ergänzte Inocenta.
    »Ich hab keinen Bart, und ich krieg keinen.«
    »Weiß man’s? Haare auf den Zähnen hast du allemal«, meinte die Flickschneiderin Janna.
    »Ihr seid fies.«
    »Ich könnte dir beibringen, wie man damit Federn zum Schreiben zuschneidet, aber das interessiert dich ja auch nicht.«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Sie will das Mordgeschäft lernen. Wir sollten sie den Söldnern überlassen, Magister Hagan. Es laufen genug von ihnen hier in der Gegend herum«, meinte der Stelzenläufer.
    »Nur dass die sie andere Dinge lehren werden«, knurrte die Rattenfängerin.
    »So lästig ist sie mir nun auch wieder nicht, dass ich sie den Söldnern überlassen würde. Auf, Kind, verstau dein Messer, und pack dein Bündel, wir brechen auf.«
    Piet nickte, und die Truppe machte sich auf den Weg nach Brück.
    Das Gasthaus machte schon von Weitem einen guten Eindruck, fand Melle. Quer zur Straße lag das Hauptgebäude, das untere Stockwerk aus grauem Stein gebaut, Wein rankte über den Fenstern die ganze Front entlang. Fachwerk, schwarz die Balken, weiß die Fächer, bildete die beiden oberen Geschosse. Das hohe Dach, unter dem sich vermutlich Lagerräume befanden, war mit grauem Schiefer gedeckt. Die Läden an den Butzenglasscheiben hatte man in heiterem Rot gestrichen. Das Tor öffnete sich zu einem gepflasterten, viereckigen Hof, gebildet durch Ställe, eine Werkstatt, ein

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