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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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aufwacht«, unkte sein Begleiter düster.
    »Darum werde ich mich jetzt kümmern. Dank Euch, dass Ihr sie zu mir gebracht habt. Geht in die Gaststube und esst und trinkt aufs Haus.«
    Damit verließ Laure die beiden, rief Martine zu sich und suchte ihre Kammer auf. Die Mägde hatten Hemma auf ihr Lager gebettet und eine Decke über sie gelegt. Sie zogen sie sacht zur Seite, um die Verletzte zu untersuchen. Mit einem Lappen wischte sie das Blut aus ihrem Gesicht. Eine Platzwunde an der Schläfe entdeckte sie, eine Beule am Hinterkopf. Tannennadeln und Laub hatten sich in den Haaren verfangen und einige Holzsplitter. Sie musste im Fallen auf Steinen, eher wohl auf einem Baumstumpf oder eine harte Wurzel aufgeschlagen sein. Vorsichtig löste Laure die Nesteln des einfachen grauen Gewandes, und gemeinsam mit Martine zog sie es ihr aus. Hemma stöhnte, wachte aber nicht auf. Ihr ganzer Körper wies Prellungen und Schrammen auf, und als Laure ihre Beine abtastete, bemerkte sie, dass der rechte Unterschenkel gebrochen sein musste.
    Die Kratzer und Blutergüsse bestrich Laure mit der Heilsalbe, die sie selbst aus Schmalz und Kräutern herstellte, bei dem Bein war sie sich unschlüssig. Schließlich bandagierte sie es fest. Trotz der sicher schmerzhaften Behandlung war Hemma nicht aufgewacht, und auch wenn sie sie gerne nach dem Unfall oder Überfall gefragt hätte, war sie doch ganz dankbar darum. Mit Hilfe von Martine zog sie ihr eine ihrer Cotten über und deckte sie wieder zu.
    Sich selbst richtete sie ein Lager aus einigen Strohsäcken und Decken auf dem Boden, und Martine gab ihr zu verstehen, dass sie bei Hemma sitzen bleiben wollte, um an ihrem Bett ihre Flickarbeiten zu verrichten.
    »Ja, danke, Martine. Gib mir Bescheid, wenn sie aufwacht.«

14. Spuren der Vergangenheit
    Es ist die Pflicht eines jeden Katholiken, Ketzer zu verfolgen.
    Papst Gregor IX ., 1170 –1241
    Das Leben mit den Vaganten gefiel Melle. Sie machten draußen in den Feldern Rast, wenn das Wetter schön war. Dann saßen sie um ein großes Feuer herum und brieten Würste auf grünen Ästen, sammelten das Streuobst – na ja, nicht nur das – buken Fladenbrote aus Mehl, Öl und Salz. Sie hatten aber auch schon bei Bauern in der Scheune gelagert und einmal sogar in einem Gasthaus. Jeder hatte seine Aufgaben zu übernehmen, aber da weben und spinnen nicht dazugehörte, machte sie alles willig, was man ihr auftrug. Matti, der kleine Kater, schien die Freiheit ebenfalls zu genießen, aber er blieb tagsüber, ähnlich wie die Frettchen, gerne in seinem Korb auf dem Wagen liegen. Der Affe schien Gefallen an ihm zu finden. Er saß manchmal neben ihm und pulte mit seinen langen, gelenkigen Fingern Kletten und Zecken aus seinem Fell.
    Von den sieben Leuten – ihren Vater ausgenommen – fand Melle den einarmigen Anführer besonders interessant. Ein klein wenig erinnerte er sie an Pfarrer Daniel. Nicht weil er irgendwie fromm war – er war ein harter Mann und führte ziemlich läster­liche Reden –, aber er behandelte sie wie eine Erwachsene und schickte sie auch nicht weg, wenn er den anderen von seinen Erkundungen berichtete. Und obwohl er ein wortkarger Mann war, gab er ihr auch immer bereitwillig Antwort.
    So hatte sie erfahren, dass in der Gegend, in die sie jetzt zogen, die Streitereien zwischen den Bergischen und den erzbischöf­lichen Truppen noch immer nicht beigelegt waren. Die Vaganten wollten daher so wenig Aufsehen erregen wie möglich, da eine Truppe wie sie immer Aufsehen erregte. So näherten sie sich auf Nebenwegen der Stadt. Unterwegs hatten sie mehrmals von dem Gasthof »Zur Bischofsmütze« gehört, der in Brück an der Kreuzung von Mauspfad und Brüderstraße lag. Er hatte anscheinend einen guten Ruf und lag nicht zu weit von Köln entfernt an einem belebten Durchgangsort. Und da sie vorhatten, eine Weile in der Nähe der Stadt zu bleiben, hatte Piet vorgeschlagen, dort Unterkunft zu nehmen. Seine Begleiter murrten zwar über die Verschwendung, aber er schlug ihnen vor, den Wirt um einen Schlafplatz in den Scheuern oder Ställen zu bitten. Der September war noch warm und sonnig, aber die Herbststürme würden bald einsetzen, und trockene Schlafstellen wären dann sehr wünschenswert.
    Sie hatten schließlich den Königsforst erreicht, und Piet wies seine Gruppe an, die Waldpfade einzuschlagen.
    »Warum, Piet?«, fragte Melle. »Ich dachte, ihr wollt zu diesem Gasthaus.« Der kleine Affe kletterte wieder an ihr hoch und hängte

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