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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dich mit dem Fleischspieß!«
    Goswin ging mit geballten Fäusten auf sein Weib zu, doch plötzlich schlug Jurg, der Jonglierer, ein Rad zwischen ihm und Elseken. Als er wieder auf den Füßen stand, hatte er den Beutel in der Hand, den Goswin am Gürtel trug. Das Äffchen saß auf einem Karren und warf ihm zwei Äpfel zu, die er zusammen mit dem Beutel in die Luft warf.
    »Hey, du, gib den Beutel her!«
    Der Jonglierer lachte und warf den Beutel sehr hoch. Der Stelzengeher hatte sich auf seine hohen Stecken gestellt und fing ihn.
    Gelächter brandete auf. Das Gesinde hatte sich spornstreichs wieder eingefunden, und Klingsohr fiedelte eine fröhliche Weise. Inocenta schwang ihre Röcke und tanzte aufreizend auf ihren kurzen Beinchen vor Goswin. Der hingegen wusste nicht, wohin er zuerst schauen sollte. Der Beutel flog wieder mit den Äpfeln und zwei Pantinen durch die Luft, wurde von dem Äffchen geschnappt, das damit die Weinranken an der Hauswand hochkletterte.
    »Fangt den Aff!«, donnerte Goswin seine zwei Spieß­gesellen an. Doch Alard landete plötzlich ein fauler Apfel auf der Nase, und die Rattenfängerin entschuldigte sich wortreich.
    »Verzeiht, Herr, ich übe das Jonglieren noch. Es gelingt nicht immer. Kommt, ich putze es Euch ab!« Und bei diesen Bemühungen trat sie Curt in den Weg und auf die Zehen. Als der sie packen wollte, kletterte ein Frettchen an seinem Bein hoch und biss ihn in die Hand. Er brüllte, das Frettchen huschte fort.
    Der Geldbeutel fiel von oben hinunter und platzte auf. Kupfer- und Silbermünzen rollten über den Hof, eilige Finger sammelten sie auf. Goswin tobte, Inocenta gackerte, der Affe schnatterte, Klingsohrs Fiedel quietschte, und Laure biss sich auf die Unterlippe. Dann sammelte sie alles, was sie an Atem hatte, und rief: »Schluss jetzt!«
    Das Gefiedel hörte auf, die Äpfel landeten im Korb, die Pantinen bei ihrer Besitzerin, und Inocenta ließ ihre Röcke sinken. Janna, die Flickschneiderin, drückte Elseken die eingesammelten Münzen in die Hand, und wie ein Spuk verschwanden die Vaganten.
    »Meine Gäste!«, sagte Laure trocken. Dann wandte sie sich an Nys, die wie gelähmt an der Hauswand lehnte.
    »Du kannst hierbleiben und arbeiten, Nys, wir können alle Hände brauchen. Waschen, Fegen, Wassertragen, Gartenarbeit – das alles steht an. Aber Dirnengetändel dulde ich nicht in meinem Haus.«
    »Krieg ich eine Kammer?«
    »Bei den Mägden. Drüben im Gesindehaus. Essen mit ihnen zusammen, einen Kittel und eine Schürze. Lohn an Martini.«
    Nys sah über Laures Schulter zu Goswin hin, dann nickte sie. »Ist gut.«
    »Benimm dich.«
    »Ja, ist gut.«
    Elseken war in den Gemüsegarten gehumpelt und widmete sich wieder der Bohnenernte, als Laure zu ihr trat.
    »Kommst du damit zurecht?«
    »Muss ich ja«, grummelte sie.
    »Hat er dich verletzt?«
    »Nicht so schlimm.«
    Laure streichelte Elseken über die Schulter. Manchmal hatte sie Mitleid mit der verbiesterten Frau. Und sie erntete einen verblüfften Blick von ihr.
    »Schon gut, Laure.«
    »Ich will Hagebuttenmus kochen, brauchst du den Kessel?«
    »Später.«
    Im Hof war wieder ruhige Geschäftigkeit eingekehrt, und Laure suchte ihre Kammer auf, in der Melle bei Hemma saß, um die Früchte zu entkernen. Als sie in den Raum trat, stellte sie fest, dass auch ihre Tochter Paitze ihr Gesellschaft leistete. Allerdings beschäftigte sie sich nicht mit den Hagebutten.
    »Heißa, das war eben ein Spaß«, empfing sie sie.
    »Kein besonders guter, aber nützlich. Hast du deine Pflichten schon alle erledigt, Paitze?«
    »Fast, aber mir ist etwas eingefallen, Mama. Und jetzt wissen wir, wer Frau Hemma überfallen hat.«
    »Was?«
    »Das Kind hat mir dein Büchlein gebracht«, sagte Hemma mit leiser Stimme. »Das war sehr klug von ihr.«
    »Paitze, das hättest du nicht tun dürfen. Du weißt doch …«
    »Aber Frau Hemma kennt doch deine Bilder.«
    Laure sah zu Melle hin.
    »Aber Melle verrät nichts«, beeilte Paitze sich hinzuzufügen. »Sie hat es geschworen, bei der heiligen Ursula.«
    »Es ist ja auch nichts Verwerf­liches, Laure«, sagte Hemma. »Nur ein paar Zeichnungen, recht gelungen allerdings.«
    »Nun gut, wenn es Euch geholfen hat, den Angreifer zu entdecken, dann können wir ihn vielleicht anzeigen. Wer ist es?«
    »Der Ritter von Hane, Mama. Seltsam, nicht?«
    Laure zwinkerte vor Unglauben, aber Hemma hielt die Seite aufgeschlagen, auf der sie noch vor wenigen Tagen seine Züge festgehalten

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