Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Piet und mich. Ich kann nicht so schnell – bisschen kurz, meine Beine, versteht Ihr? Also nahm mich der Piet huckepack, und los ging’s. Die Wachen waren uns auf den Fersen, und ich vermeinte schon, die Lanzenspitze an meinem Hintern zu spüren. Piet schnaufte und keuchte und bahnte sich den Weg durch die Menge, Jurg wie ein Wiesel vorweg. Zum Dom. War ’ne gute Idee. Wir sind rein, stolperten fast nur noch, und Piet knickte vor dem Altar zusammen. Da stand der Bischof in vollem Ornat. Jurg quiekte: ›Asyl!‹, und dann wurde es lustig. Der Bischof musterte uns kurz und schob uns in die Sakristei. Die Wachen hatten wohl kurzfristig die Fährte verloren, aber nun begannen die Glocken zu läuten.
    ›Ich muss die Messe halten. Was habt ihr getan? Jemanden umgebracht?‹, wollte der Bischof wissen. Jurg erzählte es ihm, und ich hatte den Eindruck, dass dieser würdige Mann sich königlich über das könig­liche Missgeschick amüsierte.
    ›Raus könnt ihr jetzt nicht. Na gut, das beste Versteck ist immer in der Menge. Kann einer von euch das Vaterunser?‹
    ›Pater noster , klar, Euer Hochwürden‹, sagte Piet und machte ein frommes Gesicht.
    Der Bischof klappte einen Truhendeckel auf und grub ein paar Messgewänder aus. Der Jurg schlüpfte in Soutane und ein Chorhemd, den Piet sah der Bischof kritisch an.
    ›Was fehlt, fällt auf‹, meinte er. Aber da ich nun schon die ganze Zeit auf seinem Rücken zugebracht hatte, schlug ich vor, unseren Piet zu ergänzen. ›Macht ihn zum Buck­ligen, Hochwürdigster Herr Bischof, dann leih ich ihm einen Arm.‹
    Gesagt getan, der Piet nahm mich wieder auf den Rücken, und über uns wurde so eine zeltartige Kasel gelegt. War ein bisschen mollig darunter, aber die Wirkung muss gut gewesen sein. Und dann fing die Messe an. Mann, Frau Laure, das war die irrwitzigste Messe, die je zur höheren Ehre Gottes und des Königs gelesen wurde. Ich war halb erstickt, aber nicht nur von der Hitze unter der Kasel, sondern auch vor Lachen. Der Piet röhrte seinen Hokuspokus heraus, dass es eine Freude war. Ob das alles seine Richtigkeit hatte? – Ich weiß es nicht. Jedenfalls schien sich keiner dran zu stören. Und eigentlich hat der Piet eine schöne Stimme. Ich wedelte dafür mit meinem Arm segensreich herum, wenn er es mir zuflüsterte. Mir schien, dass der Bischof die Sache kurz gehalten hat, und trotz allem war ich heilfroh, als wir uns in der Sakristei aus den Gewändern schälen konnten.«
    Laure lächelte. Wie viel von dieser tolldreisten Geschichte wahr war, wollte sie nicht hinterfragen, aber sie war lustig erzählt, und sie konnte sich Inocenta tatsächlich auf Piets Rücken vorstellen.
    »Seht Ihr, jetzt seid Ihr wieder ein wenig heiterer. Ich hole Salbe und Leinen und verbinde Eure Hand, Frau Laure.«
    »Ja, danke. Der Bischof muss ein seltsamer und gütiger Mann gewesen sein, dass er Euch so selbstlos geholfen hat.«
    »Ja, das war er, und darum ist der Bischof Hagan von Speyer jetzt tot.«
    »Oh, mein Gott – es hat ihn das Leben gekostet?«
    »Das eine, nicht das andere. Aber die Geschichte sollte er Euch selbst erzählen.«
    Laure schnappte nach Luft. Nicht nur, weil Inocenta die Salbe auf die Brandwunden strich.
    Diese geheimnisvolle Äußerung gab ihren Gedanken wahrlich eine andere Richtung.

18. Zweiter Kontakt
    Was hat man denn gegen den Krieg? Etwa dass Menschen,
die doch einmal sterben müssen, dabei umkommen?
    Augustinus
    Die Mähre war nicht das Reittier, das er zuzeiten für angemessen gehalten hätte, aber sie trug ihn getreulich auf ihrem knochigen Rücken aus der Stadt nach Lindenthal. Schon sah Hagan das niedrige, breite Steinhaus des Hofguts vor sich liegen, und gleich darauf klapperten die Hufe über das Pflaster des inneren Gevierts. Ein Knecht stellte sich ihm in den Weg und fragte herrisch nach seinem Begehr.
    »Den Herrn Jakob von Upladhin wünsche ich zu sprechen. Melde ihm Magister Hagan.«
    Er stieg vom Pferd und wartete, dass der Mann dem Hausherrn seine Ankunft verkündete. Zwei andere Knechte hielten sich dicht neben ihm. Der alte Hauptmann schien seine Leute noch immer zur Wachsamkeit anzuhalten.
    Aber seinen Namen hatte Upladhin offensichtlich nicht vergessen, denn er kam mit weiten Schritten aus dem Haus zu ihm, ein grauhaariger Recke, trotz seiner sechzig Jahre rüstig wie ein weit jüngerer Mann.
    »Magister Hagan«, murmelte er, als er vor ihm stand und ihn kritisch beäugte. »So, so.«
    »Mein Titel und mein Name.«
    »Ich weiß,

Weitere Kostenlose Bücher