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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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fehlte ihm denn jeg­liche Menschlichkeit?
    Das Grübeln machte sie unachtsam, und als sie in die Küche zurückkam, stolperte sie. Die leeren Näpfe fielen scheppernd auf den Boden, sie versuchte sich abzufangen und rutschte aus. Ihre rechte Hand landete in der Glut auf dem Herd. Entsetzt schrie sie auf. Elseken zog sie mit einem Ruck vom Herd weg und goss einen Rest Wasser über den schwelenden Ärmel.
    »Trampel.«
    Laure zitterte und ließ sich auf einem Schemel nieder.
    Inocenta, ebenfalls mit einem Stapel Geschirr, kam in die Küche und sah sie an.
    »Was ist passiert? Ihr seht aus wie Milch mit Spucke.«
    »Sie ist in die Feuerstelle geraten, so tölpelig, wie sie sich heute anstellt«, murrte Elseken.
    »Uh, Brandwunden tun weh. Kommt, Frau Laure, ich weiß, was zu tun ist.«
    Laure wollte sich wehren, aber mit erstaun­licher Kraft zerrte die Zwergin sie auf die Beine und schob sie zum Brunnen. Sie haspelte einen Eimer Wasser hoch und befahl ihr, die Hand hineinzuhalten.
    »Was heiß ist, muss kalt werden.«
    »Ist schon gut.«
    »Nein, ist es nicht.«
    War es auch nicht. Laure war schwindelig, und ihre Knie fühlten sich wackelig an. Allmählich kroch der Schmerz in ihrer Hand den Arm hinauf. Sie setzte sich auf die Brunneneinfassung, und mit einem Mal rannen ihr die Tränen aus den Augen. Inocenta scheuchte ein paar Neugierige fort.
    »Kommt, wir nehmen den Eimer mit in die Scheune. Dort ist es ruhiger. Nachher streiche ich Euch Salbe darauf und verbinde die Hand.«
    »Ja, ja.«
    Beinahe willenlos ließ Laure sich in die hohe, luftige Scheune führen, die den Vaganten als Lager diente. Auf einer Decke über einem Strohballen nahm sie auf Inocentas Geheiß Platz und ließ weiter die Hand ins Wasser baumeln.
    »Es hat Euch etwas durcheinandergebracht, Frau Laure. Waren es die Männer heute Mittag?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Mhm. Bei einem jungen Weib würde ich auch Herzeleid nicht ausschließen. Das macht auch tüddelig.«
    Darauf zeigte sie gar keine Reaktion, und die Zwergin sagte: »Aha.«
    »Nein, nicht, was Ihr denkt«, murmelte Laure.
    »Ihr wisst nicht, was ich denke. Ihr seid eine gute Gastwirtin, Frau Laure. Eure Kinder sind wohlgeraten, und Euer Gesinde ist reinlich und arbeitsam. Aber Ihr habt eine kranke Alte zu pflegen, eine stumme Magd, die forthuscht, sowie ein Fremder sich nähert, jetzt habt Ihr auch noch eine freche Hure aufgenommen. Und wir sind auch ein undurchsichtiges Vagantenvolk. Die Köchin ist eine saure Gurke, der Wagner ein geiler Idiot und die beiden Wilderer – schweigen wir drüber. Ihr habt Euch zu viel aufgebuckelt, Frau Laure. Und dann wächst jedes bisschen, was darüber hinaus an Euch nagt, zu einem gewaltigen Ungeheuer heran.«
    »Ja, so wird’s sein.«
    »So ist es. Und da Ihr Euch mir nicht anvertrauen wollt, was ich gut verstehen kann, erzähle ich Euch statt dessen eine lustige Geschichte.« Inocenta setzte sich zurecht und grinste zu Laure hoch. »Ist auch eine wahre Geschichte. Und sie spielt in Speyer. Ihr habt doch sicher gehört, dass im vergangenen Sommer der König Sigismund einen Reichstag einberufen hatte.«
    »Ja, man redete davon. Aber er hat nicht stattgefunden.«
    »Nein, das wohl nicht, aber nach Speyer ist der hochwohledle König dennoch gereist, und weil dort, wo ein König hinreist, immer viel Publikum für Gaukler und Spielleute ist, sind wir ebenfalls dorthin gezogen. Es war lohnend, aber dummerweise war unser kleiner Jurg, der Jonglierer, übermütig geworden. Er konnte schon ganz gut mit allerlei Krimskrams umgehen, und wenn ihm von uns ein Gegenstand aus dem Publikum zugeworfen wurde, hat er ihn auch immer brav durch die Luft wirbeln lassen und dann zurückgeworfen. So wie heute mit dem Münzbeutel. Nur – manchmal kommen Dummfratzen aus der Menge auf die Idee, ihm selbst etwas zuzuwerfen. Jetzt weiß er, was er zu tun hat, aber damals war er noch ein bisschen unbeholfen. Und es lief dumm, Frau Laure. Der König zog gerade mit seinem Gefolge über den Markt, Jurg jonglierte mit Äpfeln und bunten Lederbällen, da warf ihm irgend so ein Tropf eine heiße Pastete zu. Er verbrannte sich die Finger, die Pastete entfleuchte ihm und traf – Ihr werdet es nicht glauben – genau auf König Sigismunds hochedle Brust. Platsch!«
    »Oh weh!«
    »Ja, oh weh. Majestätsbeleidigung das. Und sofort wollten die Wachen ihn schnappen – uns alle. Aber wir sind natürlich geschickt darin, in der Menge unterzutauchen. Nur Jurg hatten sie im Visier,

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