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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schüssel füllen, und hol einen kleinen Krug roten Wein, der könnte sie stärken.«
    Mit beidem in einem Korb erklomm sie die Stiege zu ihrer Kammer. Martine hatte Hemma schon zu Bett gebracht, ihr aber noch ein Polster in den Rücken geschoben. Das Büchlein mit den Zeichnungen lag an ihrer Seite.
    »Danke, dass du noch einmal vorbeikommst. Die Kinder haben mir gute Nachrichten gebracht. Und lass nur, ich bin zwar schwach, aber den Löffel kann ich schon selber halten.«
    »Dann nehmt die Schüssel.«
    Aber Laure blieb dennoch bei ihr sitzen, goss Hemma und sich einen Becher von dem schweren roten Wein ein und nippte daran.
    »Ich habe nachgesonnen, Laure. Mein Gott, man hat so viel Zeit nachzusinnen, wenn man ans Bett gefesselt ist.«
    »Ja, ein tätiges Leben lenkt vom Sinnen ab. Manchmal.«
    Hemma stellte die Schüssel ab und nahm ebenfalls den Becher Wein.
    »Ein aufregendes kleines Schauspiel, das uns Magister Hagan heute Mittag geboten hat.«
    »Ich habe zwar nicht mitbekommen, was er mit Curt angestellt hat, aber es schien wirkungsvoll gewesen zu sein.«
    »Er hat ihn niedergeschlagen. Mit der bloßen Faust. Die nicht nur Federn spitzt, nicht wahr?«
    »Nein, er muss ein Kämpfer sein, weit härter, als Melle glaubt.« Über das, was Inocenta und Piet ihr verraten hatte, wollte Laure schweigen, aber diese andere Seite von Magister Hagan beruhigte sie auch nicht sonderlich.
    »Ich habe nachgesonnen und in deinem Büchlein geblättert, Laure. Du hast ihn ein paarmal gezeichnet und einmal sogar versucht, ihn ohne seinen Bart darzustellen. Ich weiß nicht, ich weiß nicht, er erinnert mich an jemanden. So um die Augen herum …«
    »Ihr kennt ihn?«
    »Kennen? Vielleicht. Es ist eine seltsame Ähnlichkeit, die mir auffällt. Aber es könnte auch Zufall sein.«
    Hemma sah wieder zum Fenster hin, doch ihr Blick schien in die Vergangenheit zu schweifen.
    »Er mag so um die dreißig sein, denke ich.«
    »Ja, könnte stimmen. Er hat noch keine grauen Haare, und die Fältchen um seine Augen zeugen eher vom Lachen und Blinzeln als vom Alter.«
    »Vor gut dreißig Jahren lebte ich im Adelheidis-Stift. Ich hatte mich mit einer jungen Frau angefreundet, sie wurde schwanger. Von wem, darüber schwieg sie. Aber den Jungen nannte sie Hagan. Ihre Schwester nahm ihn auf, doch er besuchte sie oft. Als ich das Stift verließ, war er sechs Jahre alt und wurde in die Obhut eines Lehrers gegeben. Aber dennoch sah ich ihn dann und wann, zuletzt, als seine Mutter gestorben war. Da war er fünfzehn, ein netter Junge, doch von Trauer umwölkt. Er besuchte zu dieser Zeit die Domschule und schloss sie zwei Jahre später als Magister ab.«
    »Magister Hagan. Meint Ihr, es ist der näm­liche?«
    »Er hat die Augen seiner Mutter. Aber ich habe seine Laufbahn nicht verfolgt. Andere Dinge bestimmten mein Leben. Was für ein Mann er geworden ist, weiß ich nicht. Ein Vagant – das stand sicher nicht in seinen Sternen. Eher ein Geist­licher oder ein Gelehrter.«
    Laure zuckte zusammen, war dankbar für die Dämmerung und fragte mit gefasster Stimme: »Kein Kämpfer?«
    »Vielleicht auch das. Aber gewiss kein Söldner.«
    »Die Stiftsdame gehörte gewiss einer vornehmen Familie an.«
    »Overstoltzens.«
    »Oh. Na, dann wird er Beziehungen nach Köln haben. Nun, Hemma, es ist seine Angelegenheit, und ich will mich nicht in die meiner Gäste einmischen.«
    »Daran wirst du wohl gut tun. – Der Wein ist schwer und macht mich müde.«
    »Dann helfe ich Euch, das Polster zu richten.«
    Ihr geheimes Büchlein nahm Laure mit und setzte sich mit ihm und einer Kerze in die kleine Abstellkammer, in der sie ein einfaches Lager für sich aufgeschlagen hatte, um Hemmas Schlaf nicht zu stören. Es war ein wenig unbequem, das Buch auf den Knien zu halten, also setzte sie sich auf den Boden und legte es auf den Schemel, um noch einige Gäste zu zeichnen.
    Dann aber sann sie noch eine Weile über Magister Hagans Abbild nach.
    Sie sollte sich nicht einmischen, nein, ganz gewiss nicht.
    Aber er hatte sie neugierig gemacht, dieser kämpferische Bischof.
    Ziemlich neugierig.

21. Dritter Kontakt
    Sie sagen: »Gebt uns nur Geld, so sollt ihr Vergebung von Strafe und Schuld bekommen!« Und das verblendete Volk gibt ihnen Geld und sündigt immer mehr.
    Jan Hus
    »Ich will aber mitkommen. Ich will auch die Stadt sehen. Jan sagt, der Alter Markt ist …«
    »Du bleibst hier und hilfst Frau Laure, Melle.«
    »Warum helft Ihr Frau Laure nicht? Ihr treibt Euch in

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