Die Gefährtin des Vaganten
tut es. Lass die Kinder Pilze sammeln. Ihr könnt sie für den Winter trocknen, sie geben eine gute Würze.«
»Ich schick sie mit dem Jurg und dem Löffelschnitzer, dann können sie gleich nach Eurem Wolf schauen. Er kennt die Kinder ja.«
»Tut das. Und … Laure, ich habe dir großen Kummer gemacht, als ich diesen Ritter beschuldigte, nicht wahr?«
»Schon gut.«
»Du hast dir die Hand verbrannt, sagt die Zwergin.«
»Ja, ich war unachtsam. Frau Hemma, ich sehe einfach nicht, warum …«
»Martine hat ihn ebenfalls erkannt und war zu Tode erschrocken.«
Laure zupfte an dem Verband.
Martine.
Martine hatte sich in der Braustube versteckt, als der Ritter letzthin im Gasthaus erschien.
Irgendwas mochte da wirklich dran sein. Aber es war noch immer möglich, dass sie die Dinge durcheinanderbrachte, Gesichter verwechselte oder Zeiten.
»Frau Hemma, damals, als man Euch das erste Mal vertrieb, gab es da einen ähnlichen Überfall?«
»Ja, aber das waren grobe Bauern, die mich forttrieben. Ich denke heute, meine Schwester könnte dahintergesteckt haben. Ich hatte mir einen guten Ruf erworben, Laure, und du weißt, wie Geschwätz blüht. Man unterstellte mir Wunderheilungen und bat mich um Fürbitten. Sie aber hat mir immer alles geneidet – Freundschaften, Vertraute, meine Stellung als Ratgeberin und natürlich meinen Mann.«
»Ich wusste gar nicht, dass Ihr verheiratet wart.«
»Doch, doch. Ist jetzt auf den Monat fünfzig Jahre her, dass ich dem Herrn Johannes von Iddelsfeld zum Weib gegeben wurde. Es war eine gute Ehe, Laure, so wie die zwischen dir und Kornel. Elf Jahre waren uns geschenkt, doch Kinder blieben uns verwehrt.«
»Fünfzig Jahre …«
»Ja, vielleicht denke ich deshalb in der letzten Zeit so oft an ihn. Aber er wurde Anno 1376 im Schöffenkrieg verwundet und starb an seinen Verletzungen. Zu früh, Gott, zu früh.«
»Ihr hättet wieder heiraten können.«
»Hätte ich sicher, aber ich zog es vor, in ein Stift einzutreten. In Villich, ins Adelheidis-Stift, in dem auch meine Schwester lebte. Es war dumm von mir. Aber damals hielt ich es für eine gute Lösung.«
»Das Adelheidis-Stift ist sehr vornehm, sagt man.«
»Oh ja, und einige Damen sind sehr angesehen und einflussreich. Sogar der Erzbischof Friedrich besuchte uns oft. Meine Schwester liebte es nicht, dass er sich häufiger mit mir und meiner Freundin unterhielt als mit ihr.« Hemma schloss die Augen, und Trauer malte sich auf ihrem Gesicht ab. »Es war besser, dass ich fortging«, murmelte sie dann und schwieg, tief in ihre Erinnerungen versunken.
Sie war Einsiedlerin geworden. Laure ahnte inzwischen, dass ihre tiefen persönlichen Enttäuschungen sie zu diesem Entschluss getrieben hatten. Zunächst lebte sie in einem abgelegenen Häuschen auf der anderen Rheinseite, hatte Kornel ihr berichtet.
»Eure Schwester wohnt noch im Adelheidis-Stift?«
»Nein, sie ging auch bald fort. Sie steht nun ihrem eigenen Konvent in Köln vor und scheint ihren Frieden gemacht zu haben. Sie und ich, wir haben uns nie gut verstanden, aber ich habe gelernt, sie so zu nehmen, wie sie ist. Was immer sie mir angetan hat, habe ich ihr verziehen. Sie hat es auch nicht leicht gehabt, Laure.«
Laure stand neben ihr und schaute auf den Hof hinunter. Er war leer bis auf Melle, die dabei war, einen Eimer Wasser aus dem Brunnen zu haspeln. Curt kam aus der Werkstatt. Er näherte sich von hinten dem Mädchen, schaute sich kurz um, ob ihn niemand beobachtete und packte sie dann derb um die Taille. Mit der anderen Hand raffte er ihren kurzen Kittel, um ihr darunterzufassen. Melle wand sich und schrie, aber der Söldner erstickte den Laut, indem er ihr die andere Hand auf den Mund drückte.
Laure drehte sich um und stürmte wutschnaubend die Stiege hinunter. Unterwegs nahm sie einen Besen auf.
Doch als sie aus der Tür trat, lag Curt, gefällt wie ein Baum, vor dem Brunnen, und der Stiefel von Magister Hagan drückte auf seine Kehle.
»Melle!«, rief Laure, und das Mädchen rannte auf sie zu. Sie nahm sie in den Arm.
»Er hat …«
»Ich weiß, ich stand oben am Fenster. Aber wie es aussieht, war dein Vater schneller als ich.«
»Ja. Ja …«
Verdattert sah Melle zu dem Magister hin. Der redete leise, aber offensichtlich eindringlich auf den Gefällten ein. Seinem Gesichtsausdruck entnahm Laure, dass es sich um eine recht gotteslästerliche Predigt handelte. Um ihr Nachdruck zu verleihen, drückte er dabei auch noch etwas fester seinen
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