Die Gefährtin des Vaganten
den Schenken herum und bei den Dirnen im Badehaus.«
»Melle!«
»Machen Männer doch. Ich hab’s von Piet gehört.«
Hagan sah das trotzige Mädchen ungeduldig an. Seine Umtriebe im Badehaus hätte sie allerdings nicht erfahren sollen.
»Ich treibe mich nicht herum. Ich kümmere mich um deine Zukunft.«
»Ah pah, die ist Euch doch egal.«
»Nein, das ist sie nicht. Ich war bei dem Geldverleiher, bei dem deine Mutter die Münzen hinterlegt hat. Es ist eine stattliche Summe, die ich noch aufstocken werde.«
»Ihr? Wovon denn?«
»Das ist ebenfalls meine Sorge. Es wird reichen, dich in einen angesehnen Konvent einzukaufen.«
»Konvent?« Melles Stimme überschlug sich. »Nie werde ich in einen Konvent gehen. Nie nicht!«
»Du wirst tun, was man dir befiehlt.«
»Unfug. Ihr habt Euch zwölf Jahre nicht darum gekümmert, was ich tue. Ich werde es jetzt auch nicht tun, Magister Federwackel. Auch wenn Ihr mit den Fäusten kämpfen könnt. Das macht Euch noch immer nicht zu meinem Vater.«
»Du vergisst, dass du keinen anderen Vormund hast.«
»Magister Hagan«, Inocenta trat hinzu. »Regele, was du zu regeln hast. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. Und du, Melle, hast zumindest den Älteren gegenüber Achtung zu erweisen. Ich begleite deinen Vater. Frau Laure braucht Hilfe mit ihrer verbrannten Hand. Sie ist immer freundlich zu dir, also vergelte es ihr mit Freundlichkeit.«
»Du kommst mit?«
»Ja, Magister, ich. Piet bleibt hier und hat ein Auge auf die Söldner. Das kann er besser als ich.«
Hagan nickte. Sie hatten darüber gesprochen, und wie es aussah, führte eine Spur, die sie verfolgten, sogar bis in diesen beschaulichen Gasthof. Melle hingegen stand noch immer vor ihm, und Wut blitzte weiterhin in ihren Augen.
»Ich helf’ Frau Laure. Aber in einen Konvent geh ich nicht. Lieber werde ich Magd hier.«
»Vorerst, Kind, ist das nicht das Schlechteste«, sagte Inocenta und knuffte Hagan in die Seite. »Wann brechen wir auf?«
»Nach dem Mittag.«
Hagan passte sich den Schritten der Zwergin an, als sie nach Deutz wanderten. Sie hatte ihm erzählt, dass sie Bekannte in der Stadt hatte, und jetzt holte sie etwas weiter aus.
»Hör zu, Hagan. Ich habe von Piet gehört, um was es dir geht.«
»Er hätte den Mund halten sollen.«
»Warum?«
»Ich will meine Angelegenheiten nicht herumgetratscht wissen.«
»Hältst du ihn oder mich für ein Tratschmaul?«
Das tat er nicht. Piet kam einem Freund so nahe, wie er es zulassen konnte, und Inocenta war eine ungeheuer kluge Frau, die ihn schon mehrmals mit ihrem Rat und ihren Einsichten verblüfft hatte.
»Seid Ihr nicht«, murmelte er also nachgebend.
»Eben. Und darum dachten wir uns, dass ich dir von Nutzen sein könnte.«
»In welcher Form?«
»Etwas über diese Spitzel herauszufinden, die Töchter der Nacht oder auch diese verschleierten Damen.«
»Wie willst du das anstellen? Du bist nicht eben unauffällig.«
Inocenta kicherte.
»Hat auch seine Vorteile. Oder besser, ich habe sie mir geschaffen. Weißt du, meine Eltern waren nicht sonderlich erfreut, als ich mit zehn Jahren so herum aufgehört habe zu wachsen und nicht alle Arbeiten verrichten konnte, die ich sollte. Je nun, eine aber fanden sie für mich, als ich Brüste bekam. Sie brachten mich in ein Frauenhaus, und die Hurenmutter nahm mich gerne für die Männer, die kleine Mädchen wollten.«
Hagan sagte nichts, aber er dachte an Melle und Curts Übergriff auf sie.
»Schrecke ich dich? Ekelt es dich?«
»Vor den Männern mit solchen Gelüsten. Du hast das Haus verlassen.«
»Richtig, als ich achtzehn war. Ich stahl einen Geldbeutel und schlich mich davon. Ich leistete auch einen Schwur, Magister. Nämlich dass zukünftig die Leute mich zwar anglotzen durften, aber dafür zu zahlen hatten. Ich traf die Gauklertruppe. Damals war Piets Vorgänger noch ihr Anführer, und er fand meinen Vorschlag vernünftig. Ich bin ein Ausstellungsstück, das Aufmerksamkeit weckt. Ein paar Fähigkeiten eignete ich mir nach und nach auch an, und als Piet zu uns kam, wurde die Lage sogar noch besser.«
Hagan nickte. Inocenta war nicht nur klug, sondern auch willensstark. Sie hatte wirklich das Beste aus ihrer Veranlagung gemacht. Missgestaltige wurden gerne als von Witz und Sinnen betrachtet, als von Gott Gestrafte. Man sperrte sie in Käfige und stellte sie aus oder brachte sie in Tollhäusern unter. Das freie Vagantenleben mochte ihr also bei Weitem mehr Freiheiten
Weitere Kostenlose Bücher