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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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aufreißen?
    Dennoch, beschloss er, wollte er mit ihm sprechen. Es galt, Fühler auszustrecken und Stimmungen zu erkunden.
    Als sie am anderen Ufer angelangt waren, verabschiedete sich Inocenta von ihm.
    »Wir können uns morgen Mittag wieder hier an der Fähre treffen. Ich finde schon ein Bett für die Nacht.«
    »Ich auch.«
    »Ein Hurenlager.«
    »Vielleicht.«
    Der Besuch bei dem alten Ritter war tatsächlich ausgesprochen unerquicklich. Der Mann war an dem Geschehen der Welt nicht mehr recht beteiligt. Er war fett geworden und dem Trunk zugetan. Weit schlimmer aber war seine Tochter, die im Haus das Regiment führte. Hagan erinnerte sich daran, dass Siberts Schwester zur damaligen Zeit mit einem Edelfreien verheiratet worden war. Getroffen hatte er sie nur ein-, zweimal bei Feiern. Sie war ihm schon bei diesen Gelegenheiten als herrisch und zänkisch aufgefallen. Nun war sie verwitwet, ihre beiden Töchter verheiratet, und sie führte ihrem Vater das Haus. Mochte sie es auch reinlich halten und es an Gastfreundschaft nicht mangeln lassen, so behandelte sie den alten Ritter jedoch höchst respektlos. Vor allem geiferte sie beständig vor Hagan herum, dass ihr Vater viel zu viel Zeit im Hurenhaus verbringe und sie Angst um sein Seelenheil habe. Der Alte hingegen zahlte es ihr mit gleicher Münze heim und drohte ihr wegen des ständigen Gezänkes mit der Hölle.
    »Die ist eher Euch gewiss, Herr Vater.«
    »Quatsch. Ich bin gefeit davor. Ich habe genug für die Erlösung gezahlt. Aber bigotte Betschwestern wie du, die wird der Teufel holen!«
    »Sollte es einen geben, fürchte ich, wird er ihr den Einlass in die Hölle verwehren«, murmelte Hagan, als sie fauchend wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hatte, den Raum verließ.
    Ein fettes Lachen belohnte seine Bemerkung.
    »Sie ist ein Aas, das mir jede Belustigung sauer werden lässt. Aber ich habe meine Beziehungen. Ja, die habe ich. Zu allerbesten Kreisen.«
    »Und erhaltet den einen oder anderen Ablass für Eure Sünden.«
    »Besser, viel besser. Aber ich muss schweigen. Erzählt mir, Hagan, wie ist es Euch ergangen?«
    Hagan hätte sich weit lieber verabschiedet, aber der alte Ritter ließ ihn nicht gehen. Und so spann er eine Geschichte, die sich so einigermaßen an der Wahrheit entlangbewegte, ohne seine wahren Hintergründe zu offenbaren. Was er als Gegenleistung erhielt, war kärglich. Die Erinnerung des stetig trinkenden Richmont ging zeitlich mehr als durcheinander. Er kannte ein paar Einzelheiten über die Verhandlungen der Stadt mit den streitenden Parteien, erzählte eine irgendwie schaurige Geschichte über zwei Jü­licher Söldner, die vor einigen Jahren als Wölfe verkleidet einige Ketzer im Auftrag eines fanatischen Paters umgebracht hatten, dass die Beginen vom Eigelstein sich wieder einmal während der Predigt in Sankt Brigiden mit dem Prediger gestritten hatten und sein Weinhändler ein gepantschtes Gesöff geliefert habe.
    Als die Dämmerung niedersank, konnte Hagan endlich die Flucht antreten, und da er des hohlen Geschwätzes überdrüssig war, suchte er wieder das Badehaus auf, in dem die willige Badefrau tätig war. Sie erkannte ihn wieder, bot ihm ihre Dienste im Bad und im Bett an. Die Ersteren nahm er dankend an, die Letzteren lehnte er ab. Die gehässigen Zetereien von Schlebuschs Tochter und die vorwurfsvollen Worte seiner eigenen klangen ihm noch in den Ohren. Er fand ein Lager in einem nahe gelegenen Gasthaus, das er sich mit drei anderen Reisenden teilen musste, und verbrachte eine unangenehme Nacht zwischen Schnarchern, Hustern und üblen Ausdünstungen.
    Und während er sich schlaflos unter der kratzigen Decke ausstreckte, stellte er plötzlich fest, dass er sich darauf freute, in das Gasthaus »Zur Bischofsmütze« zurückzukehren. Seit fast zwei Wochen wohnten sie nun schon dort, und er hatte die Bequemlichkeit und die sauberen Betten schätzen gelernt.
    Melle kam ihm in den Sinn. Melle fühlte sich wohl bei Laure. Vielleicht wäre es gar nicht so übel, sie eine Weile unter der Aufsicht der Wirtin zu lassen. Sie war fürsorglich, und ihr gegenüber benahm das Mädchen sich recht folgsam.
    Ja, es wäre schon gut, wenn sie ein Zuhause hätte. Er selbst hatte nie ein richtiges Heim gekannt. Aber Magd in einem Gasthaus – nein, das konnte er seiner Tochter nicht antun. Sie war von vornehmer Abkunft.
    Er musste sie anerkennen.
    Aber dazu musste er sich zu erkennen geben. Und das konnte er derzeit nicht.
    Und danach?,

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