Die Gefährtin des Vaganten
flüsterte eine leise Stimme. Inocenta hatte ihn an einer wunden Stelle getroffen.
Danach.
Er musste über sein Erbe nachdenken. Und ein Testament machen.
Und einen Berater finden, dem er vertrauen konnte.
Bela von Efferen, die Schwester seiner Mutter. Sie war – ja – sie war ihre Großtante, wenn man es recht betrachtete.
Er musste mit ihr reden. Möglicherweise nahm sie sich des Mädchens ja an.
Darüber schlief er endlich ein.
Die Zwergin erwartete ihn an der Fähre, und ihre Augen glitzerten zufrieden.
»Du hast etwas herausgefunden?«
»Ja. Aber das erzähle ich dir zusammen mit Piet. Und du, Magister?«
»Nichts von Bedeutung. Aber ich habe immerhin einen Entschluss gefasst, was Melle betrifft.«
»Ah.«
»Es gibt da eine Tante von mir. In Efferen.«
»Ein ehrbares Weib?«
»Das eines Handelsherrn.«
»Mhm. Noble Verwandtschaft, Herr Bischof?«
»Ja.«
»Und dein Vater?«
»Ist tot.«
»Wie die Mutter?«
»Ja.«
»Einsilbig, Herr Magister?«
»Ja.«
»Na gut, warten wir mit dem Schwatzen, bis wir in der ›Bischofsmütze‹ sind.«
Und das taten sie auch.
Es war regnerisch geworden, die Vaganten saßen im Stroh der Scheune und gingen ihren Beschäftigungen nach. Bertrand war eifrig dabei, Löffel herzustellen; die Wirtin hatte ihn darum gebeten. Die Flickschneiderin stichelte an einem Kittel für Nys, die Rattenfängerin beaufsichtigte ihre Frettchen, die ebenfalls ihrer Aufgabe nachgingen. Klingsohr hatte vor einigen Tagen einem Reisenden ein zerlesenes Buch abgekauft und sich darin vertieft. Es enthielt die Verse von fahrenden Sängern, hatte er gesagt. Jurg jonglierte und übte dabei mit dem Stelzengeher allerlei akrobatische Tricks ein, Piet warf gelangweilt seine Messer auf ein Ziel an der Holzwand. Das Äffchen war nicht zu sehen, aber gewöhnlich hing es auch an Melles Kittel.
Inocenta hatte aus der Küche einen Krug Most und einen Korb Butterbrote mitgebracht, und auf ihren Wink hin setzten sich Piet, Hagan und sie in eine abgelegene Ecke. Die anderen respektierten ihren Wunsch, ungestört zu bleiben.
»Irgendwelche Vorfälle hier?«, fragte Hagan.
»Nein. Die beiden Söldner sind ihrer Wege gezogen.«
»Gut.«
»Ich glaube, die Nys sammelt Nachrichten für sie.«
»Welcher Art?«
»Kriege ich schon noch raus. Und ihr? Was gibt es Neues aus Köln?«
»Es gibt da einen Klüngel.«
»Ach nee? In Köln?«
Inocenta grinste.
»Gibbet immer. Aber der ist schon was Besonderes. Ich hab mich bei den Schwälbchen umgehört. Leben doch noch ein paar von damals.«
»Und was sagen sie?«
»Die Töchter der Nacht unterstehen ein paar Hurenmüttern, die ein heimliches Haus für die Kleriker führen.«
»Nun, das dachten wir uns ja schon«, meinte Hagan.
»Sicher. Diese Mütter der Nacht, wie sie sich gerne nennen lassen, arbeiten für einige Priester. Ein Pfarrer Rikluf, ein Lambertus, ein Tilmanus.«
»Lambertus. So viel mit diesem Namen gibt es wohl nicht.«
»Vermutlich nicht. Also gibt es vermutlich wirklich eine Verbindung zu den geheimnisvollen verschleierten Damen«, mutmaßte Piet.
»Mhm«, machte Inocenta. »Es wird schwierig, das zu beweisen. Ich habe es mir auch nur aus verschiedenen Fädchen zusammengewebt. Die Mädchen sind verschwiegen. Es ist wohl so, dass diese Töchter nicht nur die Geistlichen bedienen, sondern auch eine ganz bestimmte weltliche Kundschaft. Solche, die Geld haben. Und Einfluss. Allerdings verschwinden hin und wieder einige von diesen Frauen, und wie es heißt, findet man ihre Leichen oft verstümmelt im Rhein wieder.«
»Und niemand stellt dann Nachforschungen an.«
»Nein, niemand. Sie haben Angst, denke ich mal. Es sind die Zuhälter, die sie fürchten. Ehemalige Söldner.«
»Es steckt also eine ausgeklügelte Organisation dahinter«, sagte Piet. »Priester, die die Zügel in der Hand halten, Hurenmütter, die die Frauen anwerben, Zuhälter, die sie in Schach halten.«
»Sie nennen sie Züchtiger.«
»Scheiße!«, sagte Piet plötzlich und warf sein Messer mit Schwung an die Wand. Vibrierend blieb es im Holz stecken. »Martine. Das wollte sie mir zu verstehen geben.«
»Martine?«
»Die stumme Magd. Sie hat keine Zunge mehr. Ich denke, ich weiß jetzt, warum. Sie muss irgendwo mit diesem – Klüngel – in Verbindung gestanden haben.«
»Kannst du mehr aus ihr herausbekommen?«
»Wenn ich sie sanft anfasse. Sie ist vollkommen verängstigt. Ich fürchte, man hat ihr grausam mitgespielt. Aber sie weiß etwas. Man
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