Die Gefährtin des Vaganten
abgewandt, ein Bad in den kühlen Fluten schien ihnen nicht zu behagen. Er blickte zurück auf den Fluss.
»Da, ein Kopf.«
»Lasst ihn ersaufen, er wird es nicht besser verdient haben.«
»Christenpflicht, guter Mann. Erinnert Euch an Eure Christenpflicht.«
»Und hol mir einen Meuchler an Bord. Nein, Herr.«
»Oh doch, wenn Ihr Euren Lohn haben wollt.«
»Disputiert nicht mit mir.«
»Nein«, sagte Hagan und erhob sich. Der Nachen schwankte, als er dem Mann mit einem harten Griff das Ruder entwand und es selbst ins Wasser tauchte. Der protestierte, doch ein barsches: »Halt’s Maul«, ließ ihn schweigen.
Der Schwimmer schien noch bei Kräften zu sein, er hielt auf die Fackel zu. Hagan drehte den Nachen so, dass er zu ihm gewandt vorantrieb. Offensichtlich erkannte der Gejagte die Rettung und kam näher.
»Helft mir, in Gottes Namen«, keuchte er.
»Helft ihm, im Namen Gottes, Kerl!«, fuhr Hagan den Schiffer an.
»Blödsinn, das.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Manch gute Tat wird vergolten.«
Er drückte dem Mann das Ruder wieder in die Hand und beugte sich vor, um den Arm des anderen zu ergreifen. Es war schwierig, ihn ins Boot zu hieven, und erst als der Ruderer sich zur andern Seite warf, kam der Schwimmer über den flachen Rand. Schwer atmend blieb er auf dem feuchten Boden liegen.
»Und nun zum anderen Ufer.«
Murrend nahm der Schiffer seine Arbeit wieder auf. Hagan schwieg, und so tat es auch der Gerettete. Als sie an der anderen Seite anlegten, war er aber in der Lage, sich aus eigener Kraft zu erheben und an Land zu springen. Hagan entlohnte den Schiffer reich, sodass der keinen weiteren Knurrlaut mehr von sich gab. Dann packte er den nassen Mann an der Schulter.
»Wir haben noch einen Weg von gut einer Stunde vor uns. Schafft Ihr das?«
»Wird gehen. Dank Euch, Herr. Ihr habt mein Leben gerettet.«
»Spart Euren Atem für später auf. Wir gehen zum Gasthaus in Brück. Dort werdet Ihr uns Eure Geschichte erzählen.«
Aus nassen, hellen Haaren tropfte Wasser auf ein dunkles Wams, während der Fremde seine kniehohen Stiefel auszog und ausschüttete. Gute Kleidung, sauber barbiertes Kinn, ein goldener Ring an der Hand. Doch noch nicht alt, vielleicht im gleichen Alter wie er selbst, urteilte Hagan.
Als er seine Stiefel wieder angezogen hatte und die ersten Schritte auf dem Weg gemacht waren, sagte er: »Stephan van Horne, zu Euren Diensten, wohledler Herr.«
Hagan sog die Luft ein.
»Stephan van Horne, Sohn der Bela van Horne und ihres verstorbenen Gatten Franco?«
»Allmächtiger, Ihr kennt meine Eltern?«
»Die Schwester Eurer Mutter war die meine, Vetter. Und wir verbrachten einige wilde Jahre gemeinsam in Efferen. Aus einem Ententeich habt Ihr mich einst auf die gleiche Weise gezogen wie ich Euch heute aus dem Rhein.«
»Hagan. Hagan, der kleine Bastard. Verzeiht. Himmel, verzeiht, ich bin wie von Sinnen.«
»Schon gut, auch mich überrascht es, dass ich ausgerechnet Euch wie einen nassen Hund aus dem Wasser gezogen habe.«
Stephan schüttelte den Kopf, und Tropfen nässten Hagans Wangen.
Sie wanderten schweigend nebeneinander her, bis Stephan fragte: »Warum Brück?«
»Weil ich dort mit Freunden Quartier genommen habe. Am Montag noch habe ich Frau Bela besucht. Sie sagte mir, dass Ihr in Kürze von einer Handelsfahrt zurückerwartet würdet.«
»Ja, ich traf am Dienstag ein.«
Dann schwieg er wieder, offenbar in tiefe Gedanken versunken.
Hagan erinnerte sich, dass Bela darüber geklagt hatte, dass Stephan seit dem tödlichen Unfall seines Bruders schwermütig geworden sei. Der Sprung in die Fluten mochte ihn nun wohl wieder daran erinnern, dass Gert im Wasser den Tod gefunden hatte.
Er beschleunigte seine Schritte. Es wurde Zeit, dass sein Vetter ins Warme kam und trockene Kleider erhielt. Die Nächte waren schon empfindlich kühl. Und er war zudem begierig zu hören, warum ein redlicher Orienthändler von zwei Männern mit Messern in der Hand verfolgt wurde, die es offensichtlich auf sein Leben abgesehen hatten.
War das einer der Fälle, von denen Upladhin behauptet hatte, dass sie sich in den vergangenen Monaten gehäuft hatten? Ein Zufall, gewiss. Aber nicht völlig ausgeschlossen. Auf jeden Fall aber sollte Piet dabei sein, wenn Stephan seine Geschichte erzählte.
Schon von ferne sah Hagan die erleuchteten Fenster des Gasthauses an der Kreuzung der beiden großen Handelsstraßen. Für einen Moment breitete sich Wärme und Freude in ihm aus – er
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