Die Gefährtin des Vaganten
Nachschub an Mumia bedenklich knapp. Aber auch das konnte er seinen findigen Helfern überlassen.
Die einzige wirkliche Sorge, die ihn drückte, betraf diese verdammte Chronik.
Noch immer hatte man sie nicht aufgetrieben.
Der Mann in der prunkvollen Robe erhob sich und stellte sich vor den Kamin, um in das Feuer zu schauen. Hell loderten die Flammen darin auf.
Mater Dolorosa – ein Name, der dem Weib in jedem Sinne gebührte. Warum gelang es ihr nicht herauszufinden, wo dieser Codex geblieben war? Sie hatte allerlei subtile Methoden, die Geheimnisse anderer aufzudecken, aber hier scheiterte sie offensichtlich.
Lag es an ihr? Verheimlichte sie ihm etwas?
Er sandte seine Gedanken in die Vergangenheit.
Getroffen hatte er sie vor vielen Jahren, als er eines Tages den Erzbischof Friedrich von Saarwerden in das von ihm betreute Stift von Villich begleitete. Diesem Stift gehörte auch eine junge Frau an, die ihm sogleich auffiel. Sie hatte eine Ausstrahlung, die ihn faszinierte. Wirklich schön war sie nicht zu nennen, füllig war sie, ihre schwarzen Haare hatte sie nie abgeschnitten, und es gelang ihr auch, sie unter der Stiftstracht hervorquellen zu lassen. Ihre Augen waren es, die ihn in ihren Bann zogen, dunkel, umschattet, wissend. Er war jung noch, eben zwanzig, sie beinahe zehn Jahre älter. Und bei Weitem erfahrener. Oh ja, sehr erfahren. Sie wusste schon damals, wie man Lust und Schmerzen bereitete.
Er fand Gefallen daran und geriet in ihren Sog. Aber auch sie sah Vorteile in ihrer heimlichen Beziehung, wie ihm nach und nach klar wurde. Es entstand ein Geben und Nehmen, das sich als sehr nützlich erwies und noch immer war.
Auch wenn er jetzt auf gewisse Freuden mit ihr verzichtete und jüngere Weiber bevorzugte.
Eine besondere Delikatesse gewann ihre Partnerschaft, als sie ihm von der Aufzeichnung des Max von Hürth berichtete, die von den drei Kreuzrittern erzählte, die eine wundertätige Mumie aus dem Heiligen Land nach Köln gebracht hatten.
Ein vager Plan war entstanden, hatte sich verdichtet, wurde in die Tat umgesetzt. Er selbst hatte sich darum gekümmert, dass sie ihren eigenen Konvent bekam. Und seither residierte die Mater Dolorosa in der Witschgasse. Zunächst galt das Haus als Zufluchtstätte für bedürftige Frauen, dann aber überredete sie diese Weiber, auf sinnvolle Weise Informationen aus bestimmten Männern zu locken, die sie ihm dann bereitwillig weitergab.
Ein lohnenswerter Keim war damals entstanden, der nun weiter gesprossen war und sein hilfreichstes Machtinstrument darstellte.
Was aber hatte die Mater Dolorosa mit jenen Aufzeichnungen gemacht, die ihre Zusammenarbeit begründet hatten und nun unbedingt vernichtet werden mussten?
Was verschwieg sie ihm?
Wohin war die alte Einsiedlerin verschwunden, die vermutlich das geheime Buch in ihrer Obhut gehabt hatte?
Angeblich hatte sie ihre Leute ausgeschickt, der Alten das Buch abzunehmen, und dabei hatten sie deren Klause durchsucht und anschließend abgefackelt. Die Einsiedlerin war geflohen und blieb seither verschwunden. Eine Nachricht von ihrem Tod hatte es nicht gegeben. Das Ableben eines solch bekannten und beliebten Weibes mit dem Ruf einer friedensstiftenden Heiligen konnte nicht unentdeckt bleiben und musste zum Gespräch werden. Da aber kein Wort darüber zu ihm gedrungen war, musste sie irgendwo Unterschlupf gefunden haben. Bei Leuten, die um ihr Geheimnis wussten und darüber schwiegen.
Das war fatal!
Er würde mit härteren Mitteln durchgreifen müssen. Und dazu waren die ehemaligen Söldner in der Lage. Die würde er jetzt auch einsetzen, um diese Einsiedlerin zu finden und ihr und ihren Freunden mit Gewalt den Aufenthaltsort des geheimen Buches zu entreißen.
26. Ein Rheinfall
O ihr Bösewichter, die ihr da glaubet, man könne mit Gott wie mit einer Schenkwirtin umgehen, bei der man auf Rechnung säuft, und die man bezahlt, um aufs Neue zu saufen.
Jan Hus
Melle hatte ihm sehr, sehr höflich für den Stoff und die Borten gedankt. Diese höflichen Formulierungen hatten sicher ihren Ursprung in Frau Laures Ermahnungen. Hagan hatte sich ein kleines Schmunzeln verkneifen müssen, hatte Melle ernsthaft zugehört und sie dann gelobt.
»Du bist fleißig, hat mir die Frau Wirtin berichtet.«
»Ja, Herr Magister Vater. Es ist nicht schwer, und manches ist lehrreich.«
Sehr höflich.
»Es bereitet dir mehr Freude als die Arbeiten für deine Muhme in Limburg?«
»Ja. Da sollte ich immer nur spinnen und
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