Die Gefährtin des Vaganten
erfolgreich, ja, das war er. Aber ich konnte es nicht ertragen. Gewürze, Spezereien, kostbare Öle, das alles, aber nicht die Mumia. Das sind doch Menschen gewesen. Das darf man doch nicht. Das ist gegen Gottes Willen, sie aus ihren Gräbern zu holen und zu verschachern. Aber er wollte nichts davon hören. Ich war doch immer für ihn bloß der kleine Bruder. Ich durfte ihm seine Sachen hinterhertragen und die Fracht beaufsichtigen, aber Handeln hat er mir nicht zugetraut. Obwohl ich mit meinen Waren recht gut verdient habe.«
»Und darüber habt Ihr Euch gestritten?«
»Auf See, ja. Und dann kam der Sturm. Und weil wir uns gestritten haben, ging er an Deck. Und eine Welle spülte ihn über Bord. Mitten in der Nacht.«
»Und man gab Euch die Schuld daran?«
Matt schüttelte Stephan den Kopf.
»Nein, sie sagten, es sei ein Unfall gewesen. Und sie bedauerten mich. Aber es war meine Schuld. Hätte ich ihn nicht so wütend gemacht, wäre er nicht an Deck gegangen.«
»Vielleicht wäre er aber an Deck gegangen, um Luft zu schnappen oder den Kapitän zu suchen oder was immer man auf See macht. Er wusste doch sicher, wie gefährlich es war.«
»Er war so zornig …«
»Zu einem Streit gehören immer zwei, Stephan. Er hätte ihn vermeiden können, nicht wahr?«
Stephan sah auf und sah die Wirtin mit rot geriebenen Augen an.
»Dann hätte er nachgeben müssen.«
»Richtig. Manchmal muss man das um des Friedens willen. Ansonsten setzt man sich der Gefahr aus, in Wut und Zorn unbedacht zu handeln.«
Diesmal zitterten seine Hände weniger, und er nippte an seinem Becher. Laures eindringliche Worte hatten offensichtlich eine Wirkung erzielt, und Hagan traute sich, ihn wieder anzusprechen.
»Vetter, es tut mir unsagbar leid, dass Ihr Euren Bruder unter so unglücklichen Umständen verloren habt, aber Frau Laure hat recht. Es war ein Unfall. Nur – was hat das Schicksal Eures Bruders damit zu tun, dass zwei – ich vermute Meuchelmörder – hinter Euch her waren? Hängt das vielleicht mit den Geschäften zusammen, die Gert betrieben hat? Mumia sind derzeit ein begehrtes Handelsgut.«
Sein Vetter sah ihn überrascht an.
»Ich weiß nicht. Daran habe ich nicht gedacht. Nein. Ich habe die Leichname der armen Heiden, als wir Marseille erreichten, anständig beisetzen lassen.«
Hagan tauschte einen belustigten Blick mit Piet. Der Drugwarenhändler in Straßburg hatte von eben dieser verrückten Tat berichtet. Und auch, dass die kostbaren Mumien flugs wieder ausgegraben und verhökert worden waren. Offensichtlich war sein Vetter ein ziemlich leichtgläubiger Tropf, auch wenn er aus edlen Motiven heraus gehandelt hatte.
»Hatte Gert einen Handelspartner, dem er diese Lieferung versprochen hatte, Stephan?«
»Nein – oder, ich weiß nicht. Er betrieb seinen Handel, ich den meinen.«
»Jemand, dem er die Mumia verkaufen sollte, könnte Eure Tat als schädigend für das Geschäft betrachten und wünschen, Euch zur Rechenschaft zu ziehen.«
»Nein, niemand hat sich an mich gewandt«, sagte Stephan.
Kein Wunder, dachte Hagan. Er hatte die Ladung ja sozusagen öffentlich verschenkt, der Dummkopf. Außerdem war das nun auch schon zwei Jahre her.
Piet übernahm nun die Fragen, und er konnte seine tiefe Stimme auch sehr ruhig und mitfühlend klingen lassen.
»Nun gut, dann müssen wir einen anderen Grund suchen, warum man Euch auf den Fersen war. Seid Ihr mit Handelspartnern zusammengetroffen, die Euch zu unlauteren Geschäften überreden wollten, Herr von Horne?«
»Nein, nein, gar nicht. Ich treibe nur mit redlichen Leuten Handel.«
»Mit Spezereien, nicht wahr?«
»Ja, mit Gewürzen, Ölen, Harzen.«
»Myrrhe und Aloe?«
»Auch, ja.«
»Erfreut sich, wie ich hörte, großer Beliebtheit.«
»Ja, meine Vorräte wurden rasch aufgekauft.«
»Das Heilige Land bietet aber auch andere Ware, außer diesen kostbaren Gütern. Hin und wieder finden sich dort äußerst wertvolle Reliquien.«
War da ein leichtes Zucken um Stephans Augenlider?
»Ich habe nie welche angeboten bekommen.«
»Aber vielleicht hier? Auch Köln bietet dererlei Kostbarkeiten, die in anderen Teilen des Landes sehr beliebt sind.«
Das Zucken verstärkte sich.
»Vor allem, seit man von dem Fund des Grabtuchs Christi weiß«, fügte Hagan darum leise hinzu.
»Woher … woher wisst Ihr davon?«
»Man predigt auf den Märkten öffentlich darüber.«
»Ja, Herr Stephan«, ließ sich auch die Wirtin vernehmen. »Unsere Köchin Elseken
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