Die Gefahr
seine Computertasche auf den Boden und blickte sich ängstlich um. Der große rote Coca-Cola-Automat stand genau da, wo er sein sollte. Den Anweisungen folgend, die er bekommen hatte, nahm Zubair eine Dollarnote aus seiner Geldbörse, glättete sie und steckte sie in den Automaten. Er drückte einen Knopf und nahm die Limonadedose zusammen mit dem Zimmerschlüssel heraus, den man ihm hinterlassen hatte. Zubair sah auf die Nummer und steckte den Schlüssel ein.
Einige Augenblicke stand er dort neben dem Automaten, trank aus seiner Dose und blickte sich beiläufig um, so als warte er auf jemanden. Nachdem er den Zoll in Los Angeles hinter sich gebracht hatte, war der Rest der Reise relativ stressfrei verlaufen. Gewiss war auch der Flug nach Atlanta noch nervenaufreibend gewesen, doch die Tatsache, dass er nicht mehr lügen musste, um durch den Zoll zu kommen, machte alles leichter. Das Schwierigste nach der Landung in Atlanta waren die riesigen Rolltreppen gewesen, die hinunter zur U-Bahn führten. Das gleiche Problem wartete noch einmal an der Endstation auf ihn. Wenn er nicht von Menschen umringt gewesen wäre, die ihn geradezu auf diese Furcht einflößende Treppe schoben, so hätte er es wohl kaum bis zur Gepäckausgabe geschafft.
Sein Auftraggeber hatte ihm nur die Grundzüge des Spionagehandwerks beigebracht, doch Zubair hielt sich an die Dinge, die er gelernt hatte. Er war am Flughafen zweimal auf die Toilette gegangen und hatte dabei darauf geachtet, ob ihm zweimal dieselben Gesichter folgten oder draußen vor der Tür warteten. Als er sicher war, dass ihm niemand gefolgt war, verließ er den Flughafen und nahm, so wie es ihm sein saudiarabischer Auftraggeber gesagt hatte, ein Taxi in die Innenstadt. Er betrat eines der größten Hotels der Stadt, ging durch die Lobby, verließ das Haus durch einen Seiteneingang und ging zu einem anderen Hotel weiter, wo ein Zimmer für ihn reserviert und von einer Scheinfirma im Voraus bezahlt worden war.
Zubair verbrachte die Nacht von Montag auf Dienstag in der Innenstadt. Am Dienstag nahm er ein Taxi zum Flughafen, wo er jedoch nicht in ein Flugzeug einstieg, sondern in ein anderes Taxi, das ihn in das noble Ritz-Carlton-Hotel in Buckhead brachte. Am Dienstagabend wagte er sich in das hiesige Einkaufszentrum und bewunderte vor allem die Waren in den Elektronikgeschäften. Amerika war schon ein verlockendes Land. Die Auswahl an preiswerten Konsumgütern war einfach unglaublich. Zubair hätte mühelos eine Woche damit verbringen können, die Elektronikartikel zu bestaunen, doch die Atmosphäre im Einkaufszentrum verwirrte ihn so sehr, dass er in sein Hotel zurückkehren musste, um zu beten. Nur durch das Gebet konnte er den Verlockungen widerstehen, die sein Denken zu beherrschen drohten.
Schließlich sah er jetzt mit eigenen Augen, wie verkommen dieses Amerika war. Junge Mädchen liefen in aller Öffentlichkeit halb nackt herum, und das ohne männliche Begleitung. Wie ein Rudel Hunde streiften sie durch das Einkaufszentrum und flirteten mit Jungen – und niemand schritt ein, um es zu unterbinden. Das allein bewies hinreichend, dass Amerika ein Hort des Bösen war. Das ganze Land war fest in der Hand des Satans, und wenn man nichts unternahm, würden die Amerikaner den Rest der Welt mit sich in den Abgrund reißen.
Nachdem er mehrere Stunden gebetet hatte, schlief er die ganze Nacht tief und fest. Als er spät am nächsten Morgen erwachte, nahm er den Zimmerservice in Anspruch. Während des Frühstücks erfuhr er aus dem Fernsehen zu seinem Entsetzen, dass die Amerikaner vier Schiffe abgefangen hatten, die nach Amerika unterwegs waren. Zubair blieb den ganzen Nachmittag im Zimmer und verfolgte im Fernsehen die weiteren Ereignisse. Er kannte nicht alle Einzelheiten der Operation, doch er wusste, dass die Waffe per Schiff nach Amerika transportiert wurde.
Kurz vor fünf Uhr klingelte das Telefon. Zubair nahm zögernd ab und war gleichzeitig erleichtert und beunruhigt, die Stimme seines Einsatzleiters zu hören. Die Pläne wurden geändert, und der Mann gab ihm genaue Anweisungen, wie er weiter vorgehen sollte. Zubair fragte zwischendurch zaghaft, was mit den Schiffen passiert sei, worauf er so streng zurechtgewiesen wurde, dass er nicht noch einmal zu fragen wagte.
Nun stand er auf einem dunklen Parkplatz in einer Stadt, die er nicht kannte, und folgte den Anweisungen eines Mannes, der ihm bisweilen große Angst einflößte. Zubair nahm noch einen Schluck von der
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