Die Gefahr
in die Chesapeake Bay gefahren, wo sie nun Richtung Norden unterwegs waren. Das elf Meter lange Kajütboot, das Mr. Hansen gehört hatte, erfüllte seinen Zweck hervorragend. Mit Hilfe des GPS-Navigationssystems fiel es ihnen nicht schwer, sich in diesen fremden Gewässern zu orientieren.
Wie al-Yamani hatten auch Hasan und Khaled die Grundlagen der Seefahrt auf dem Kaspischen Meer gelernt. Sie waren damit betraut gewesen, die Märtyrer, die nach Kasachstan kamen, auf ihre Aufgabe vorzubereiten – und wenn sie mal nichts zu tun hatten, mieteten sie sich ein Boot und lernten in einer stillen Bucht am südöstlichen Ufer des Sees den Umgang mit Wasserfahrzeugen verschiedener Art. Dennoch hätten sie sich niemals darauf vorbereiten können, sich an der Küste der Chesapeake Bay mit ihren vielen kleinen Buchten zurechtzufinden. Dass ein GPS-System an Bord des Bootes war, betrachteten sie als besonderen Glücksfall. Sie hatten eigentlich gar nicht vorgehabt, sich in diese Gewässer vorzuwagen; der ursprüngliche Plan sah vor, in Dahlgren ein Boot zu nehmen und auf dem Potomac nach Washington zu fahren. Diese Route wäre ein wenig länger gewesen, was jedoch kaum ins Gewicht gefallen wäre, wenn man bedachte, dass sie nun über 300 Kilometer im Regen und bei schlechter Sicht zurücklegen mussten.
Al-Yamani kniete am Boden, doch er betete nicht. Er war auf der Toilette und übergab sich wieder einmal. Mittlerweile konnte er überhaupt nichts mehr bei sich behalten. Er litt großen Durst, doch mit jedem Schluck Wasser musste er sich erneut übergeben, und das Erbrochene war mittlerweile dunkelrot.
Als die Übelkeit ein wenig nachließ, kniete al-Yamani erschöpft über der Toilette, während ihm immer noch Blut und Speichel aus dem Mund tropften. Er war schweißgebadet und zitterte am ganzen Körper. Es war dies gewiss sein letzter Tag auf dieser Erde, egal ob ihr Unternehmen gelingen würde oder nicht – aber er glaubte nicht, dass sie scheitern würden. Nicht nach dem, was gestern passiert war. Allah wies ihnen den Weg, den sie zu gehen hatten.
Sie würden alle sterben. Er hatte den Wissenschaftler in diesem Punkt anlügen müssen, wofür er sich jedoch kein bisschen schämte. Manche Menschen waren eben nicht stark genug, um die Wahrheit zu ertragen. Imtaz Zubair hatte fast die gesamte Fahrt auf der Koje im Bug des Bootes verbracht – so weit wie möglich von der Bombe entfernt. Er hatte darauf bestanden, dass die Bombe auf der Schwimmplattform am Heck des Bootes untergebracht wurde. Sie hatten zwar einiges unternommen, um die Waffe abzuschirmen, doch sie sandte eine beträchtliche Strahlung aus. Aus diesem Grund hatten sie sie in Lee und so weit wie möglich von ihnen entfernt deponiert.
Der Wissenschaftler hatte gefragt, wie es weitergehen würde, wenn sie Washington erreicht hätten. Al-Yamani sagte ihm, dass sie die Bombe scharf machen, an Land gehen und sich auf den Weg machen würden. Der Pakistani wollte daraufhin wissen, wie sie flüchten würden. Al-Yamani erzählte ihm, dass jemand auf sie wartete. Das war ebenfalls gelogen, doch das würde der Mann nie erfahren, weil er längst tot sein würde, bevor sie die Stadt erreichten.
Khaled kam über die Treppe in die kleine Kajüte zu al-Yamani herunter. »Wir kommen bald zum Fluss«, berichtete er.
Al-Yamani hatte kaum noch die Kraft, sich zu erheben. Er streckte den Arm aus, damit ihm Khaled aufhelfen konnte. »Regnet es noch?«, fragte er.
»Ja.«
Obwohl Khaled ihn stützte, hatte er Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Er kämpfte sich die Treppe hinauf, wobei Khaled ihn von hinten gleichzeitig anschob und stützte. Als sie oben bei Hasan waren, der das Boot steuerte, setzte sich al-Yamani neben ihn auf die Bank.
Al-Yamani blickte durch die Windschutzscheibe und wartete, bis der Scheibenwischer das Wasser so weit weggewischt hatte, dass er sehen konnte, was vor ihnen lag. »Irgendwelche Anzeichen, dass es Probleme geben könnte?«
»Nein, aber wir sind ja auch noch nicht da«, antwortete Hasan.
»Wo ist der Fluss?«
»Laut GPS müsste er dort vorne links sein, ungefähr eineinhalb Kilometer vor uns.«
Al-Yamani konnte nichts sehen, aber er verließ sich ganz auf seinen Mitstreiter. »Wenn es Probleme gibt, dann fahren wir an der Mündung vorbei und überlegen uns, ob wir nach Baltimore weiterfahren oder ob wir es noch einmal versuchen.«
»Ja, ich weiß. Vielleicht sollten wir dem Physiker sagen, dass er die Bombe scharf machen soll.«
Al-Yamani
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