Die gefangene Braut
kleiner Eingeborener vor ihr. Er drückte ihr ein Kleid und ein quadratisches Stück Stoff mit einer Schnur in die Hand, die Kopfbedeckung der Beduinen.
»Kufijah«, sagte er und deutete auf das Tuch. Er nahm ihr den Knebel ab und ließ sie stehen.
Sie waren zu dritt. Zwei mittelgroße junge Männer und ein riesiger Mann, der die Pferde tränkte. Der junge Mann, der ihr die Kleider gegeben hatte, kam wieder zu ihr, lächelte dämlich und drückte ihr ein Stück Brot und einen Wasserschlauch in die Hand. Sie war sehr hungrig, weil sie am Vorabend nur wenig gegessen hatte.
Als Christina gegessen hatte, kam der große Mann auf sie zu, nahm ihr den Wasserschlauch ab und warf ihn einem der anderen Männer zu. Seine kufijah bedeckte die untere Hälfte seines Gesichtes, und daher konnte sie nicht sehen, wie er aussah.
Für einen Araber war er sehr groß. Sie hatte geglaubt, daß Araber generell klein waren, doch neben diesem Mann waren die beiden anderen Zwerge.
Er half ihr, das Kleid überzuziehen und strich ihr das Haar zurück, das ihr bis auf die Hüften hing. Zumindest half er ihr beim Anziehen, statt ihr die Kleider herunterzureißen. Er zog ihr die kufijah über das Gesicht und führte sie in den Schatten eines Felsens und stieß sie dort in den kühlen Sand.
Entsetzt wich Christina vor ihm zurück, aber der große Mann lachte nur rauh und ging fort, um den anderen mit den Pferden zu helfen. Die beiden kleineren Araber legten sich schlafen, und der große kletterte mit einer Flinte in der Hand auf den Felsen, um Wache zu halten. Sie konnte nicht entkommen. Christina gönnte ihrem erschöpften Körper Entspannung und schlief ein.
Als sie erwachte, stand die Sonne tief über dem Horizont. Die Pferde standen bereit, und der große Mann schwang sie vor sich auf ein Pferd.
Christina konnte in der Ferne Berge und vor sich einen Ozean aus Sand sehen. Sie gab auf und lehnte sich an den Mann, der hinter ihr saß. Sie glaubte, ihn lachen zu hören, aber sie war zu müde, um sich etwas daraus zu machen. Wieder schlief sie ein.
Sie ritten drei weitere Nächte lang und schliefen während der heißesten Zeit des Tages. Endlich ließen sie die Wüste hinter sich. Christina konnte um sich herum Bäume sehen, und sie spürte, daß die Luft kühler wurde. Wenn es wirklich kälter wurde, mußten sie wohl schon hoch oben in den Bergen sein.
Verzweifelt wünschte sie sich, dieser Alptraum sei wirklich nur ein böser Traum gewesen. Bald würde sie zu Hause in Halstead aufwachen, ein kühler Morgenwind würde wehen, und nach dem Frühstück würde sie genüßlich auf Dax ausreifen. Aber sie wußte, daß es kein Traum war. Nie mehr würde sie Dax oder ihr Zuhause sehen.
Ein Feuer loderte vor ihnen auf. Einer der Männer schrie etwas, und dann ritten sie langsam aus den Bäumen heraus, die sie verborgen hatten, und in ein Lager hinein. Dort standen fünf Zelte, von denen eines größer als die anderen war. Die Zelte waren um das Feuer herum aufgebaut. Das Feuer war die einzige Lichtquelle, und es warf auf alles in seiner Reichweite tanzende Schatten.
Vier Eingeborene, auf deren dunklen Gesichtern ein breites Lächeln stand, kamen näher, und alle fingen an, zu reden und zu lachen. Die Frauen kamen aus ihren Zelten, und in ihren Augen blitzte Neugier auf, aber sie blieben im Hintergrund.
Christina wurde vom Pferd gehoben. Ihr wurde klar, daß sie das Ziel ihrer Reise erreicht hatten. Sie mußte versuchen, sich vor dem Schicksal zu bewahren, das ihr bevorstand. Vielleicht konnte sie sich in den Bergen verstekken und dann einen Weg in die Zivilisation finden.
Weitere Männer gesellten sich zu der Gruppe, die um das Feuer herumstand. Alle drängten sich um ihren großen Entführer herum und redeten und gestikulierten. Christina stand einen Moment lang allein da. Rechneten sie etwa damit, daß sie seelenruhig dort stehenblieb und ihr Los erwartete?
Christina hob das arabische Gewand und ihr Nachthemd bis zu ihren Schenkeln und rannte los. Sie rannte um ihr Leben, und sie rannte schneller, als sie es sich zugetraut hätte. Sie wußte nicht, ob sie gejagt wurde, denn das einzige, was sie hörte, war das laute Hämmern ihres Herzens. Die kufijah glitt von ihrem Gesicht, und ihr Haar wehte im Wind hinter ihr her.
Christina stolperte und fiel hin. Sie blickte auf und sah zwei Füße, die über ihr gespreizt waren. Sie warf sich auf den harten Boden und fing an zu weinen. Sie konnte nicht gegen ihre Tränen an, obwohl es ihr verhaßt
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