Die gefangene Braut
Hexe! Du hast Abu verzaubert, damit er dich will. Aber ich werde diesen Zauber brechen. Abu liebt dich nicht. Bald wird er dich rauswerfen und mich heiraten. Du bist hier nicht erwünscht. Warum bleibst du?«
Christina war sprachlos. Sie mußte dem Haß entkommen, den sie in Nuras Augen sah. Sie hatte nicht gewußt, daß Eifersucht einen solchen Haß bewirken konnte. Sie rannte zu den Pferden, und auf Saadis dunklem Gesicht stand deutliches Entsetzen über die Worte seiner Schwester. Er wollte etwas zu Christina sagen, aber sie stieg eilig auf Raven und galoppierte aus dem Lager.
Saadi stieg auf sein Pferd und versuchte verzweifelt, sie einzuholen. Er wußte, daß Scheich Abu ihn bei lebendigem Leibe häuten würde, wenn er verschuldete, daß seiner Frau etwas zustieß. Sie ritt so schnell den Hügel hinunter, daß sie leicht stürzen und sich verletzen konnte. Es war Nuras Schuld, daß sie derart außer sich war, aber Saadi würde die Strafe auf sich nehmen müssen.
Oh, diese Nura! Dafür würde sie ihm zahlen. Er mußte ihr klarmachen, daß der Scheich mit dieser fremdländischen Frau glücklich war, auch wenn er sie bisher nicht geheiratet hatte. Nura mußte ihre unberechtigten Hoffnungen begraben.
Ein Tränenschleier trübte Christinas Sicht. Sie weinte nicht über Nuras Worte, denn es war ihr ganz gleich, ob Philip sie liebte oder nicht. Sie weinte, weil Nura sie haßte und weil das nicht ihre Schuld war. Christina hätte Philip mit Freuden an Nura abgetreten. Sie wäre sofort gegangen, wenn es ihr möglich gewesen wäre. Sie hatte schließlich nicht darum gebeten, entführt zu werden!
Am Fuß des Berges ließ Christina Raven anhalten, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen, ehe sie das Pferd wieder zum Galopp antrieb. Sie würde soweit in die Wüste hinausreiten, wie Raven sie nur irgend tragen konnte, und was aus ihr wurde, war ihr völlig gleich.
Plötzlich bemerkte sie zwei Männer, die in der Ferne auf ihren Pferden saßen. Sie standen regungslos da, und sie überlegte, ob sie auf sie zureiten sollte, doch dann kam der größere der beiden auf sie zu. Sie dachte sich, daß dieser Mann entweder Philip oder Rashid sein mußte, denn er war zu groß, um jemand anderes zu sein. Welcher von beiden es war, konnte sie nicht sagen, weil er noch zu weit entfernt war und seine kufijah seine Gesichtszüge verbarg.
Wenn es Philip war, konnte sie ihm nicht entkommen. Sie hörte Saadi, der hinter ihr auftauchte, und als sie sich umdrehte, sah sie die Besorgnis in seinen Augen.
»Ich möchte mich für meine Schwester entschuldigen«, brachte Saadi atemlos heraus. »Sie hatte kein Recht, das zu sagen, was sie gesagt hat, und ich werde sie dafür bestrafen.«
»Es ist schon gut, Saadi. Ich will nicht, daß du Nura meinetwegen bestrafst. Ich kann ihre Gefühle verstehen.«
Christina wandte sich wieder dorthin, wo sie die beiden Männer gesehen hatte, aber alle beide waren verschwunden. Sie setzte wie gewöhnlich ihren Ritt mit Saadi fort, und vor Einbruch der Dämmerung kehrten sie ins Lager zurück.
Als Christina das Zelt betrat, erwartete Philip sie bereits, um sie zu ihrem Bad zu begleiten. Er schien bester Laune zu sein und gab ihr einen Klaps auf den Hintern, als sie an ihm vorbeiging, um die Handtücher und die Seife zu holen. Sie fragte ihn nicht, ob er einer der Männer gewesen war, die sie in der Wüste gesehen hatte. Er hatte schon bei früheren Gelegenheiten deutlich klargestellt, daß er es nicht mochte, wenn sie ihn ausfragte.
Am späten Morgen des kommenden Tages nähte Christina gerade den Saum eines Rockes um, als Amine ganz langsam das Zelt betrat. Sie blieb händeringend vor Christina stehen.
Ein entsetzlicher Schmerz schlich sich in Christinas Herz. Ihr war klar, daß etwas Schreckliches passiert sein mußte, aber sie wußte nicht, warum sie selbst sich so elend fühlte.
»Was ist passiert, Amine?« fragte sie atemlos. »Ist Abu etwas zugestoßen?«
»Nein«, erwiderte Amine, und eine Träne lief über ihre Wange. »Es geht um seinen Vater – Scheich Yasir Alhamar ist tot.«
»Aber das kann doch nicht wahr sein!« rief Christina aus, und sie sprang auf die Füße. »Yasir war gestern in guter Verfassung, und in den letzten Monaten hat sich sein Gesundheitszustand sichtlich gebessert. Ich – ich kann es einfach nicht glauben!«
Christina lief aus dem Zelt, ohne auf Amine zu achten, die ihr nachrief. Doch schon ehe sie Yasirs Zelt betrat, wußte sie, daß es wahr war. Sein Zelt war
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