Die gefangene Braut
Amine und ihre Kinder nicht gewesen wären, hätte sie sich wirklich einsam gefühlt.
Es schien, als könnte Christina Philip nicht aus der Stimmung herausreißen, die sich seiner bemächtigt hatte.
Er saß nur da und starrte ins Leere, als sei sie gar nicht da. Er beantwortete ihre Fragen und begrüßte sie, aber das war auch schon alles. Sie erinnerte sich, daß sie nach dem Tod ihrer Eltern in der selben Verfassung gewesen war, doch John hatte ihr geholfen, diese Zeit durchzustehen. Sie wußte nicht, wie sie Philip helfen konnte.
Nachts, wenn sie ins Bett gingen, hielt Philip sie im Arm, sonst nichts. Das fing an, sie nervös zu machen. Ständig fragte sie sich, wann er sie wieder nehmen würde. Sie sagte sich, daß ihr die gegenwärtige Situation nicht paßte, weil sie dieses Verhalten von Philip nicht gewohnt war.
Sie dachte immer wieder darüber nach, wie sie ihn aus seinen Depressionen herausreißen könnte, aber ihr fiel nichts dazu ein. Hatte sie sich denn nicht längst gewünscht, ihn leiden zu sehen? Doch, sie hatte es so gewollt, aber das war lange her. Es tat ihr weh, Philip unglücklich zu sehen, und sie wußte nicht, warum.
16
Seit Yasirs Tod waren fünf Tage vergangen, und Christina, die die letzten Tage im Zelt verbracht hatte, hielt diese Anspannung nicht mehr aus. Sie beschloß auszureiten.
»Es ist gut, daß du deine gewohnten Aktivitäten wieder aufnimmst«, sagte Ahmad zu ihr, als sie losritten. Er lächelte sie strahlend an, als er ihr auf den Hengst half.
»Ja, es ist besser so«, gab Christina zurück. Aber nicht alle Aktivitäten, fügte sie zu sich selbst hinzu, und sie dachte an die ruhigen Nächte, die ihr in letzter Zeit gewährt wurden.
Sie waren weit in die Wüste hineingeritten, als Christina vier Männer entdeckte, die auf ihren Pferden eilig auf sie zukamen. Es schien, als seien sie aus dem Nichts aufgetaucht, und schon hatten sie sie erreicht. Christina hielt Raven an, und als sie sich umdrehte, sah sie, daß Ahmad seine Flinte hob. Doch ehe er den Abzug betätigen konnte, hallte ein Schuß durch die Luft, und Christina sah voller Entsetzen zu, wie Ahmad langsam von seinem Pferd fiel und Blut aus seiner Brust sickerte.
»O Gott – nein!« schrie sie, aber Ahmad lag regungslos im heißen Sand.
Augenblicklich ließ Christina Raven umkehren und peitschte ihn zu einem rasenden Galopp an. Sie wollte sich um Ahmad kümmern, aber jetzt mußte sie an sich selbst denken. Sie hörte, wie ihre Verfolger näherkamen. Ein Arm schlang sich um ihre Taille, riß sie vom Pferd und warf sie über ein anderes Pferd. Sie wehrte sich heftig, was nur dazu führte, daß sie mit dem Rücken in den harten Sand fiel.
Der Mann, der sie geschnappt hatte, stieg von seinem Pferd und kam langsam auf Christina zu. Auf seinem bärtigen Gesicht stand ein wütender, brutaler Ausdruck.
Christinas Herz schlug schmerzhaft, als sie sich auf die Füße zog und anfing zu laufen, doch ehe sie auch nur zehn Meter weit gekommen war, wirbelte der Mann sie herum und schlug sie mit einem Hieb ins Gesicht brutal zu Boden. Dann zog er sie an ihrem Umhang hoch, schlug ihr noch zweimal mit aller Kraft ins Gesicht und ließ sie dann fallen wie ein Stück Dreck. Sie schrie hysterisch, als sie sich im Sand umdrehte, damit er sie nicht mehr schlagen konnte.
Undeutlich hörte Christina Stimmen, die miteinander stritten, aber sie klangen, als kämen sie aus weiter Ferne. Sie fühlte sich benommen, und einen Moment lang wußte sie nicht einmal mehr, wo sie war oder warum sie weinte. All das fiel ihr schmerzlich wieder ein, als sie behutsam den Kopf hob und Ahmads leblosen Körper im Sand liegen sah.
O Gott, warum hatten sie ihn töten müssen? dachte sie, und sie fühlte sich elend. Wenige Meter von ihr entfernt saßen drei Männer auf ihren Pferden, und einer von ihnen sprach grob mit dem Mann, der sie geschlagen hatte.
Amair Abdalla stieg ab und trat zu der Frau, die im Sand lag. Er empfand Mitleid mit ihr, als er sie umdrehte und ihr Gesicht sah, das bereits jetzt verfärbt und angeschwollen war. Er hatte gehört, die Frau sei eine Schönheit, aber jetzt war ihr zerschundenes Gesicht zudem noch von Sand und Tränen entstellt.
Dieser elende Schurke Cassim! Es war alles so schnell gegangen, daß Amair ihn nicht hatte aufhalten können. Sie hatten es eilig; andernfalls hätte er diese Bestie auf der Stelle bestraft. Cassim war schon immer brutal gewesen. Seine Frau war zweimal fast an seinen Grausamkeiten und seinen
Weitere Kostenlose Bücher