Die gefangene Braut
sie gesagt, daß sie keine Minute mehr hierbleibt. Es ist besser so, aber ich verstehe es nach wie vor nicht.«
Christina verstand es auch nicht. Aber ihr war egal, warum Estelle abreiste – solange sie nur abreiste. Jetzt brauchte sie nicht mehr mit anzusehen, wie eine andere Frau sich an Philip klammerte. Aber vielleicht würde Philip ebenfalls abreisen, wenn Estelle abreiste. Plötzlich war Christina gar nicht mehr so glücklich.
Philip hatte die kleinen Spielchen mit Estelle schon längst satt gehabt, aber nur durch ihre eigene Kühnheit hatte sie es ihm ermöglicht, dem endgültig ein Ende zu machen. Sie hatte ihn überredet, mit ihr auszureiten.
Sie war unter einer alten Eiche abgestiegen, hatte sich ins Gras gesetzt und ihn verführerisch aufgefordert, sich zu ihr zu gesellen.
»Estelle, steig wieder auf dein Pferd. Ich habe keine Zeit für deine Spielchen«, hatte er grob gesagt.
»Spielchen!« hatte Estelle aufgeschrien. Sie war aufgesprungen, hatte ihn angesehen und ihre Arme in die Hüften gestemmt. »Hast du jetzt die Absicht, mich zu heiraten oder nicht?«
Philip war überrascht gewesen, aber das war die Lö-
sung seines Problems. Er konnte dem ganzen Ärger ein Ende machen, indem er nein sagte.
»Ich habe nicht die Absicht, dich zu heiraten, Estelle, und es tut mir leid, wenn ich den Glauben in dir geweckt habe, das sei meine Absicht.«
»Aber du hast doch gesagt, daß du mich begehrst«, gab sie wütend zurück.
»Ich hatte egoistische Gründe, das zu sagen. Und außerdem war es genau das, was du hören wolltest. Es gibt nur eine Frau, die ich begehre oder je heiraten werde.«
»Und die ist mit einem anderen verlobt«, hatte Estelle mit einem bitteren Lachen gesagt. Sie hatte sich auf ihr Pferd geschwungen und war losgeritten.
Philip mußte Christina zurückerobern, und wenn er sie wieder entführen mußte. Die Vorstellung, daß sie diesen Kerl heiraten würde, der bei jeder Mahlzeit neben ihr saß, daß dieser unreife Junge sie in seinen Armen halten würde, war unerträglich. Er würde es zu verhindern wissen. Lieber wollte er mit ihrem Haß leben als ohne sie.
Philip sah nach dem Abendessen auf die Uhr und wartete nur darauf, daß das Dienstmädchen Christinas Zimmer verlassen würde. John und Kareen hatten ihr Schlafzimmer am anderen Ende des Hauses, und er konnte zudem hoffen, daß sie bereits schliefen. Sowie Philip hörte, daß das Mädchen die Tür hinter sich schloß, schlich er sich in Christinas Zimmer. Sie saß mit dem Rücken zu ihm in der Wanne und badete. Als er sich näher an sie heranschlich, hörte sie ihn.
»Was tust du hier?« schrie sie auf und rutschte tiefer in die Wanne.
Philip schnappte sich ihr Handtuch und ihren Morgenmantel und warf beides auf ihr Bett, außerhalb ihrer Reichweite. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und wartete. Christina sah ihn wütend an.
»Was zum Teufel soll das heißen, Philip Caxton? Verdammt noch mal! Willst du unbedingt aus dem Haus ge-
worfen werden? Brauchst du einen Vorwand, um ebenfalls abzureisen, nachdem Estelle abgereist ist? Ist es das?«
Philip grinste, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»Ich habe nicht vor, dieses Haus zu verlassen, Christina, und selbst wenn es so wäre, brauchte ich keinen Vorwand. Wenn du jetzt bitte Abstand davon nehmen würdest, deine Stimme zu erheben, damit mich niemand hier entdeckt?«
Tiefe Verwirrung brach über sie herein. Philip saß im Schatten, aber Christina konnte deutlich den glühenden Blick erkennen, der in seinen Augen stand. Philip begehrte sie, dessen war sie sicher, und ein Prickeln durchlief ihren Körper. Sie begehrte ihn aus ganzem Herzen, aber sie wußte, daß diese Liebe nur eine Nacht andauern würde. Morgen würde er sich so kalt und gleichgültig wie bisher verhalten, und das würde sie nicht ertragen.
»Verlaß mein Zimmer, Philip. Du hast kein Recht, hier zu sein.«
»Du bist heute abend außergewöhnlich schön, Tina«, murmelte Philip. »Du könntest einen Mann in Versuchung führen, alles zu tun, was du nur willst – aber nicht, dich jetzt allein zu lassen.«
Er lachte herzlich.
Sie drehte sich in der Wanne um. Sein Anblick war ihr unerträglich; das pechschwarze Haar, das zerzaust war, und sein weißes Hemd, das bis zur Taille offenstand und seine gebräunte Brust mit den kleinen schwarzen Haarlöckchen entblößte. Er war die Verführung in Person! Es kostete sie große Anstrengung, nicht triefend naß zu ihm zu gehen und ihn augenblicklich zu lieben. Das war
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