Die gefangene Braut
das, was sie wollte, und es war das, was er wollte, aber sie konnte es nicht tun. Sie hätte es nicht ertragen, ihn heute nacht zu lieben und morgen wieder seinem Haß ausgesetzt zu sein.
Zwanzig Minuten vergingen. Weder Philip noch Chri-
stina sprachen. Ihr Rücken war ihm zugewandt, aber sie wußte, daß er sie immer noch ansah.
»Philip, bitte – das Wasser wird kalt«, flehte sie ihn an.
»Dann schlage ich dir vor, aus der Wanne zu steigen«, erwiderte er sanft.
»Dann geh, damit ich aus der Wanne steigen kann!« fauchte sie.
»Du versetzt mich in Erstaunen, Tina. Ich habe dir hundertmal beim Baden zugeschaut und gesehen, wie du nackt aus dem Wasser gestiegen bist. Damals warst du nicht so schüchtern, warum also jetzt so tun als ob? Einmal haben wir uns sogar auf dem harten Boden am Ufer des Teiches geliebt. Du warst es, die an diesem Tag zu mir gekommen ist und … «
»Hör auf!« schrie sie, und sie schlug mit ihrer geballten Faust auf das Wasser. »Es ist sinnlos, über die Vergangenheit zu reden, Philip. Es ist aus und vorbei. Und jetzt gehst du augenblicklich, ehe ich mir eine Erkältung hole.«
»Hat dein Körper bei der Geburt meines Sohnes Schaden genommen?« fragte Philip. »Oder warum sonst weigerst du dich, nackt vor mir zu stehen?«
»Natürlich nicht! Meine Figur ist wieder wie früher.«
»Dann steh auf und beweise es, Tina«, murmelte er mit belegter Stimme.
Christina hätte fast an diesem Köder angebissen, und sie wollte schon aufstehen, aber dann ließ sie sich noch tiefer als bisher ins Wasser sinken und verfluchte Philip tonlos. Der Seifenschaum hatte sich gänzlich aufgelöst, und ihr Körper war seinen Blicken ausgesetzt. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, daß er ging, ohne ihr nahezukommen! Wenn er sie auch nur berührte, war sie verloren.
In dem Moment hörten sie Schritte im Korridor, und Christina erstarrte, als leise an ihre Tür geklopft wurde.
»Christina, ich muß mit dir sprechen. Christina, bist du wach?«
Sie wandte ihren Kopf zu Philip um, doch er saß immer noch behaglich in seinem Stuhl und amüsierte sich über diese neue Klemme, in die sie geraten war.
»Tommy, um Himmels willen, geh nach Hause! Ich nehme gerade ein Bad – wir sprechen morgen miteinander!« sagte sie laut.
»Ich warte, bis du fertig bist«, rief Tommy durch die Tür.
»Nein, das wirst du nicht tun, Tommy Huntington!« Ihre Furcht war jetzt größer als ihr Zorn. »Es ist spät am Abend. Ich sehe dich morgen – aber nicht jetzt!«
»Christina, es kann nicht bis morgen warten, verdammt noch mal! Ich mache nicht mehr mit, daß dieser Mann in diesem Haus weilt. Er muß gehen!«
Philips tiefes Lachen schallte durch das Zimmer. Die Tür wurde heftig aufgerissen und schlug gegen die Wand, als Tommy ins Zimmer stolperte. Philip saß noch im Schatten, und Tommy mußte sich zweimal im Zimmer umsehen, ehe er ihn entdeckte.
Tommy war außer sich und ballte die Fäuste, die neben ihm herabhingen. Erst sah er sie an, dann Philip, dann wieder Christina. Ehe ihr etwas einfiel, stieß Tommy einen entsetzlichen Schrei aus und stürzte sich auf Philip.
Christina stand auf, und Wasser spritzte nach allen Seiten auf den dicken blauen Teppich.
»Laß das, Tommy!« schrie sie.
Tommy hielt in der Bewegung inne. Bei Christinas Anblick fiel ihm der Kiefer herunter, und er vergaß vollständig, daß Philip im Zimmer war. Aber Philip, der sich fast erhoben hatte, um sich gegen Tommys Angriff zu stemmen, blickte Christina finster an.
»Setz dich hin, Frau«, knurrte Philip zornig.
Sie tat es augenblicklich, und wieder spritzte Wasser nach allen Seiten über den Wannenrand, und eine tiefe Röte breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen, Caxton?« fragte Tommy gebieterisch.
»Du brauchst dich gar nicht aufzuregen, Tommy«, sagte Christina beschwichtigend. »Philip ist direkt vor dir ins Zimmer gekommen – um mit mir über meinen Sohn zu reden. Er hat nicht gewußt, daß ich ein Bad nehme, als er reinkam.«
»Dann hat er also dagesessen und dir beim Baden zugesehen? Wie konntest du ihn in dein Zimmer lassen, Christina, oder geht das schon die ganze Zeit so?«
»Sowas Albernes! Ich sage dir doch, daß alles ganz harmlos war. Himmel! Dieser Mann hat mir in der Vergangenheit hundertmal beim Baden zugesehen. Wenn du dich erinnern würdest – Philip ist wegen seines Sohnes hierhergekommen, nicht meinetwegen. Und er hat nur lange genug hier gesessen, um mir ein paar
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