Die gefangene Braut
du auf zu weinen, denn sonst schläft der Kleine gar nicht mehr ein.«
Christina schloß die Tür des Kinderzimmers ganz leise hinter sich und sah Philip, der aus dem Nebenzimmer kam. Sie mußte auf ihn zugehen, um die Treppe zu erreichen, aber er verstellte ihr den Weg.
»Schläft Philip junior?« fragte er spöttisch.
»Ja«, erwiderte sie, wobei sie seinen Blicken auswich. »Stellt dich dein Zimmer zufrieden?«
»Es hat zu reichen«, sagte er und bog ihr Gesicht zu sich. »Aber mir wäre es lieber, dein Zimmer mit dir zu teilen.«
Philip zog sie an sich, ließ ihren Körper mit dem seinen verschmelzen und legte seinen Mund auf ihre Lippen. Sein Kuß verlangte eine Reaktion. Nur zu willig reagierte sie. Die langen, einsamen Monate fielen von ihr ab.
»Ach, Tina, warum hast du mir nicht gesagt, daß du ein Kind von mir bekommst? murmelte er mit belegter Stimme.
»Ich habe erst bemerkt, daß ich schwanger bin, als ich schon im dritten Monat war. Und dann war es zu spät -du warst schon mit Nura verheiratet.«
»Nura!« sagte er lachend, und er blickte in ihre hellblauen Augen. »Ich … «
Doch dann fuhr er zusammen. Sie war also doch zu ihrem Bruder zurückgegangen, weil sie es so gewollt hatte. Philip hatte schon geglaubt, vielleicht hätte sie bereits von der Schwangerschaft gewußt und gefürchtet, er könne zornig werden. Wann würde er endlich begreifen, daß diese Frau ihn haßte!
»Was ist los mit dir, Philip?« fragte Christina, die die Kälte in seinen Augen bemerkte.
»Du solltest besser wieder zu deinem Liebhaber gehen. Ich bin sicher, daß dir seine Küsse lieber sind als meine«, sagte Philip grob. Mit diesen Worten stieß er sie von sich.
Christina sah ihm nach und hatte das Gefühl, ihre Knie würden unter ihr nachgeben. Was hatte sie bloß gesagt? Wie hatte sie ihn dazu gebracht, sie so brutal zu verletzen? Noch vor einem Moment war sie vor Glück wie von Sinnen gewesen, und jetzt war ihr sterbenselend zumute.
»Philip! Oh, ich wußte, daß du kommen würdest!«
Christina hörte Estelles glückliche Stimme aus dem unteren Stockwerk nach oben dringen.
»Ich hatte gehofft, du würdest noch hier sein, meine Süße. Du wirst mir den Aufenthalt hier verschönern«, antwortete Philips tiefe Stimme heiter.
Tränen schossen in Christinas Augen. Sie trat in ihr Zimmer und warf sich schluchzend auf ihr Bett. Wie hätte sie es ertragen können, nach unten zu gehen und zuzusehen, wie Philip mit Estelle flirtete? Warum haßte er sie nur so? Warum konnte er sie nicht nach wie vor be-
gehren? Wie hätte sie es ertragen können, die beiden zusammen zu sehen, wenn gleichzeitig ihr Herz brach?
31
Philip stand in der offenen Tür und sah Christina beim Schlafen zu. Er hatte sie schon oft im Schlaf beobachtet, aber damals hatte er sie in die Arme ziehen und sie lieben können, wie er es auch jetzt am liebsten getan hätte. Sie war so schön mit ihrem goldenen Haar, das sich über das Kissen fächerte, und dem unschuldigen Gesichtsausdruck. Wenn sie sich etwas aus ihm machte, wäre er der glücklichste Mann auf Erden.
Er fragte sich, warum Christina am Vorabend nicht zum Abendessen erschienen war. Er hatte sich darauf vorbereitet, ihr zu zeigen, daß er genauso gleichgültig sein konnte wie sie, und er hatte vorgehabt, seine gesamte Aufmerksamkeit Estelle zu widmen. Christinas Ausbleiben bei der Mahlzeit war eine herbe Enttäuschung für ihn gewesen. Estelle war ein bezauberndes Mädchen, aber sie konnte sich nicht mit Christina messen – niemand konnte sich mit Christina messen. Warum mußte sie bloß eine so verschlagene Hexe sein?
Philip junior fing wieder an zu schreien, und Philip stellte sich hinter die Tür, um Christina ungesehen beobachten zu können, wenn sie das Kinderzimmer betrat. Sie kam ins Zimmer, und er stellte überrascht fest, daß sie den schwarzen Kaftan trug, den sie sich in Ägypten geschneidert hatte. Warum hatte sie ihn nicht verbrannt? Offensichtlich war für sie das Kleidungsstück nicht mit Erinnerungen belastet.
Ihre goldenen Locken flossen über ihren Rücken, als sie direkt auf die Wiege zuging, und Philip junior hörte auf zu weinen, als er sie sah.
»Guten Morgen, mein Liebling. Heute hast du Mami lange schlafen lassen, das muß man schon sagen. Du bist meine einzige Freude, Philip. Was täte ich ohne dich?«
Philip wurde warm ums Herz, als er sah, wie sehr sie dieses Kind liebte. Dennoch verwunderte ihn, warum sie das Kind nach ihm benannt hatte.
Plötzlich
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