Die Gefangene des Highlanders
ruhigen Schritten in den Raum hinein und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Es war nicht einfach – sie hatte es langsam satt, von allen als Verräterin bezeichnet zu werden.
„Ich eine Verräterin? Wer hat denn eine Friedensverhandlung benutzt, um den Gegner hinterhältig zu überfallen? Das ist ehrlos und gegen alle Regeln!“
„Hüte deine Zunge, Marian! Du hast mir nicht vorzuschreiben, wie ich meine Gegner besiege!“
„Du hast ihn aber nicht besiegt. Nicht einmal durch feigen Verrat.“
Er hätte sie gern mit den Blicken aufgespießt, doch sie sah ihm mutig in die Augen, ohne im Mindesten Angst vor seinem Zorn zu haben. Für einen Augenblick erinnerte er sich daran, dass sie darin ganz ihrem Bruder glich – auch Ewan hatte den väterlichen Zorn niemals gefürchtet. Er hatte nichts in der Welt gefürchtet, sein Sohn Ewan …
„Ich hätte ihn besiegt, wenn meine eigene Tochter mir nicht in den Rücken gefallen wäre!“
„Braden hat dir nichts getan. Du hattest kein Recht, seine Burg und sein Land zu nehmen.“
Der alte MacAron kniff böse die Augen zusammen und sah auf die halboffene Tür, hinter der Flora und Fia ohne Zweifel dieses Gespräch mithörten. Auch der junge Kerl, der an der Tür Wache hielt, war nicht taub, es würde nicht lange dauern, und es war auf der ganzen Burg bekannt, dass David MacAron sich von seiner Tochter Marian herunterputzen ließ. So weit würde er es nicht kommen lassen.
„Du bist seine Hure geworden, gibt es zu“, fauchte er sie an. „Meine Tochter hat sich einem MacDean an den Hals geworfen, dem Bruder von Ewans Mörder hast du als deinen Liebhaber ausgewählt. Was für eine Schande hast du mir angetan. Er hat dich genommen, sich mit dir eine Weile vergnügt, und dann hat er dich heimgeschickt, weil er deiner überdrüssig war.“
Marian spürte, wie tief sein Hohn sie verletzte, denn es war nicht so ganz falsch, was er sagte. Braden hatte sie genommen, sie hatte sich ihm voller Sehnsucht hingegeben, und dann hatte er sie kühl aus seiner Burg gewiesen. Dennoch trat sie die Flucht nach vorn an.
„Und wenn es so wäre, dann ist er immer noch ein besserer Liebhaber als der Mann, den du für mich ausgesucht hattest. Graham MacBoyll ist nicht nur ein Hurenbock, er ist auch noch hässlich dazu.“
„Es ist also wahr, dass du Braden MacDeans Liebchen bist!“, sagte David zähneknirschend. „Nun – dein Bräutigam wird in ein paar Tagen hier sein, und er wird dir die Flausen schon austreiben. Du kannst froh und dankbar sein, dass Graham MacBoyll immer noch bereit ist, dich zur Frau zu nehmen.“
Marian reckte sich und hob entschlossen das Kinn.
„Bevor ich seine Frau werde, stürze ich mich vom Turm“, sagte sie mit fester Stimme. „Schick mich in ein Kloster, Vater, und ich werde mich nicht beklagen. Im Gegenteil, ich wünsche mir nichts anderes, als mein Leben in Ruhe und Frieden hinter Klostermauern zu beschließen. Aber versuche nicht, mich mit Graham MacBoyll zu verheiraten, sonst wirst du es bereuen.“
Der alte David ließ ein höhnisches Gelächter hören und machte einen vorsichtigen Versuch, sich von seinem Stuhl zu erheben. Verfluchtes Elend – nicht einmal die Kuren der alten Hexe Sorcha brachten ihm mehr Linderung. Stattdessen wollten jetzt auch noch seine Hände nicht mehr dem Willen gehorchen, und die Finger begannen, sich zusammenzukrümmen.
„In ein Kloster? Glaubst du, dass die frommen Nonnen eine wie dich dort aufnehmen werden? Eine, von der alle Welt weiß, dass sie die Geliebte von Braden MacDean gewesen ist? Schlag dir das aus dem Kopf und freunde dich lieber mit dem Gedanken an, Grahams Frau zu werden.“
„Nicht in diesem Leben!“
Er humpelte dicht zu ihr heran, und Marian stellte fast erschrocken fest, dass ihr Vater, zu dem sie noch vor einem Jahr hatte aufsehen müssen, inzwischen kaum noch so groß war wie sie. Die Krankheit hatte seine Knochen zerfressen und seinen Körper in sich zusammenfallen lassen.
„Ich will meine Enkel sehen“, sagte er heiser. „Ich will, dass in dieser Burg wieder Kinder herumlaufen, Knaben, die sich im Waffengang üben, kleine Mädchen, die Verstecken spielen und die Mägde zur Verzweiflung bringen, wie du es einst getan hast, Marian. Du bist die einzige aus meinem Blut, die mir noch Nachkommen schenken kann. Und ich will, dass du es tust!“
Sie wollte eine heftige Antwort geben, doch dann sah sie, wie seine Beine zitterten, und sie schwieg bedrückt. Flora kam jetzt in den Raum, um
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