Die Gefangene des Highlanders
sich die wallenden Nebelschwaden über die Heide auf die Burg zu.
„Bisher ist alles ruhig“, sagte Keith. „Außer im Turm, da ist die Hölle los.“
„Was?“, entfuhr es Braden verblüfft.
Keith schien die Sache peinlich zu sein, er trat von einem Fuß auf den anderen und zog die buschigen Augenbrauen hoch.
„Nun ja – sie hat ständig andere Wünsche. Wir haben Kräuter gesammelt, Wasser und Tücher herangeschleppt, dazu Decken und Felle und einen Besen. Dann wollte sie einen Stuhl, den haben wir ihr zusammengezimmert. Danach verlangte sie nach einem Kamm, einer Fibel für ihr Gewand, neuen Riemen für ihre Schuhe, die sie sich zerrissen hatte, und schließlich wollte sie sogar noch, dass wir ihr neben dem Turm Häute aufspannen, damit sie sich dort ungesehen waschen kann …“
Braden richtete sich langsam auf, zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er Lust zu lachen. Diese unverschämte Person hatte die gutmütigen Kerle vermutlich die ganze Zeit auf Trab gehalten.
„Was machst du eigentlich, wenn deine Frau oder deine Töchter solche Wünsche haben, Keith?“
„Ich sage ihnen, dass sie das Maul halten sollen, weil ich ihnen sonst eins draufgebe.“
„Und warum sagst du ihr nicht das gleiche?“
Keith hob hilflos die Schultern.
„Sie lässt einem ja keine Ruhe, diese Frau. Zetert in einem fort, und wenn sie damit nicht weiterkommt, fängt sie an zu schmeicheln wie ein Kätzchen. Ich sag Euch was, Chief: Ein einzelner Mann ist diesem Weib gar nicht gewachsen. Da muss schon eine ganze Rotte kommen, und auch dann bin ich noch nicht sicher, ob die sie kleinkriegen.“
Braden sog tief die neblige Luft ein, warf noch einen prüfenden Blick auf die Wachposten, dann straffte er die Schultern.
„Das werden wir ja sehen“, knurrte er.
Marian thronte mitten im Turmzimmer auf einem schemelartigen Gebilde, sie hatte ein Feuer entfacht und war dabei, Haferkuchen zu backen. Trotz des beißenden Rauchs, der durch den Eingang nur teilweise abzog, konnte Braden erkennen, dass der kleine Raum sich verändert hatte. Er war sauber gefegt, das Stroh der Lagerstätten frisch aufgeschichtet, die Decken sorgfältig gefaltet, Töpfe und Teller standen in den Wandnischen, der Reihe nach geordnet. Aisleen saß auf ihrem Lager und kaute an einem Haferkuchen, das Kind in ihrem Arm schlummerte satt und zufrieden.
Braden schluckte – er hatte anderes erwartet, und er spürte, dass seine Kampfbereitschaft schon leicht in sich zusammensackte. Es gefiel ihm, wie sie den Raum geordnet hatte, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie seine Leute oder gar ihn selber herumscheuchen konnte, wie es ihr gerade in den Sinn kam.
Sie lächelte ihm entgegen, als er eintrat, und auch das verwirrte ihn. Sie hatte ein aufrichtiges, fröhliches Lächeln, und ihre grünlichen Augen, die vorhin noch so boshaft gefunkelt hatten, waren jetzt sanft und fast zärtlich auf ihn gerichtet.
Braden spürte, dass seine Beine leicht zitterten, und er musste sich heftig zusammenreißen, um seine finstere Miene zu bewahren.
„Ich danke dir, Braden“, sagte sie. „Du hast das einzig richtige getan, du hast klug und großmütig gehandelt.“
Er sah sie forschend an, denn er konnte diesen plötzlichen Sinneswandel nicht so recht glauben. Sicher machte sie sich über ihn lustig. Doch ihre Miene war offen, und er konnte kein Anzeichen von Spott darin erkennen.
Aisleen rettete ihn aus seiner Verlegenheit, denn auch sie wagte jetzt, sich bei ihm zu bedanken. Braden trat zu ihr und beugte sich über das Kind.
„Lass mich meine Ziehtochter einmal anschauen“, sagte er und zog das Tuch, in das das Baby eingewickelt war, ein wenig zur Seite. „Nun, ich glaube, sie gefällt mir. Wie soll sie heißen?“
„Ihr Name ist Sara“, mischte sich Marian ein.
Natürlich. Den hatte sie in eigener Machtvollkommenheit festgelegt. Braden begann schon wieder sich zu ärgern.
„Bist du einverstanden, Aisleen? Schließlich ist es dein Kind.“
„Mir gefällt der Name, Herr. Wenn er Euch recht ist …“
Braden nickte und überlegte angestrengt, wie er jetzt zum eigentlichen Grund seines Besuchs übergehen könnte. Doch Marian nahm ihm die Mühe ab.
„Im Übrigen wüsste ich gern, was du eigentlich mit mir vorhast“, fragte sie mit harmloser Miene. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mich für längere Zeit hier gefangen halten kannst.“
„Warum nicht?“, entgegnete er scheinbar ebenso harmlos und sah zu, wie sie den Haferkuchen geschickt
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