Die Gefangene des Highlanders
die von ihr verrichteten Tätigkeiten an den Fingern abzählte und jedes Mal mit scheuem Augenaufschlag zu ihm aufsah. Sie hatte hellblaue Augen, die denen ihrer Mutter glichen. Ja, dieses Mädchen war überhaupt in vielem ein Abbild seiner Mutter, ein zartes Kind, das man erst auf den zweiten Blick im Raum entdeckte, so wie ein Siebensternchen, das sich im Heidekraut verbarg. Warum hatte sie sich damals mit Robin MacDean heimlich im Wald getroffen? Es war gewiss nicht ihre Idee gewesen, vermutlich hatte der kleine Mistkerl sie dazu überredet, und Fia hatte nicht zu widersprechen gewagt.
„Fehlt dir deine Schwester Marian sehr?“
Er hob den Becher und trank einen Schluck von der lauwarmen Brühe, die ihm immer mehr zuwider wurde. Aber er wollte nicht, dass sie ihm jetzt ins Gesicht sah, denn er wusste, dass sein Blick etwas Lauerndes hatte.
„Marian?“, sagte sie traurig und stieß einen Seufzer aus. „Ja, sie fehlt mir, ich weine jeden Abend um sie.“
„Es ist ein schlimmes Unglück“, murmelte er und schob den Becher angeekelt von sich. „Zumal es ausgerechnet Braden MacDean ist, in dessen Hände sie fiel. Der Kerl, mit dem ich sie verlobt hatte.“
„Das ist lange her“, bemerkte Fia lächelnd.
„Sie mochte ihn damals, nicht wahr?“, fragte er rasch.
„Oh ja – sie schwärmte von ihm und war schrecklich ärgerlich, weil er sie immer auslachte.“
David MacArons Zeigefinger trommelte leise auf dem Tisch, er merkte es selbst zuerst nicht, hörte dann aber sofort damit auf.
„Und jetzt? Was hat sie in letzter Zeit über Braden gesagt? Schwärmte sie immer noch von ihm?“
Fia schüttelte den Kopf und schob eine blonde Strähne zurück, die unter dem Tuch, das ihre Haare bedeckte, hervorgerutscht war.
„Nein, Vater. Seit Druce über Bradens Heirat im Heiligen Land berichtet hat, war sie ziemlich wütend auf Braden. Es ist auch boshaft von ihm, eine MacAron zurückzuweisen, um sich mit einer Heidin zu verheiraten.“
Der alte MacAron nickte grimmig. Er konnte sich recht gut erinnern, wie Druce sich auf die Lippen biss, als er die peinliche Stille spürte, die seine unbefangene, blumige Erzählung über seinen Freund Braden und die schöne Sarazenenprinzessin in der Runde hinterließ. Der Dummkopf hatte natürlich zu spät daran gedacht, dass Braden und Marian miteinander verlobt worden waren. Besonders Marian hatte Druce fast mit ihren Blicken erdolcht, war dann wütend aufgestanden und aus der Halle gelaufen. David hatte seine Tochter Marian niemals weinen sehen – wenn sie es überhaupt tat, dann ganz für sich allein, ohne dass jemand ihr dabei zusah. Ihren Zorn allerdings ließ sie jeden spüren, ganz gleich, ob er es verdient oder nur zufällig das Unglück gehabt hatte, ihr über den Weg zu laufen.
Marian würde Braden ganz sicher ihren Ärger nicht vorenthalten haben. Oh, sie war eine MacAron – sie konnte verflucht heftig werden. Er grinste vor sich hin, fast war er stolz auf sie. Dann jedoch wurde ihm klar, dass Marians Zorn auf Braden nichts anderes als enttäuschte Liebe gewesen war.
Der Ritter hatte sich bei Tisch derart mit Fleisch vollgestopft, dass David allein vom Zusehen fast schlecht geworden war. Dennoch hatte er zwischen zwei Bissen etwas berichtet, das David zuerst nicht glauben wollte.
„So war es, Herr. Mit einem Knüppel hat sie auf mich eingedroschen. Und nicht nur auf mich – auch die anderen können davon erzählen. Einen eisernen Kochtopf hat sie mir nachgeworfen, fast hätte sie mich getroffen, so verwirrt war ich …“
Befehle habe sie gerufen, den Verteidigern Anweisungen gegeben, sie angefeuert, durchzuhalten.
„Als Braden MacDean in seine Burg einritt und uns von hinten angriff, da hat sie getanzt und gejubelt vor Freude … Der Schlag soll mich treffen, Herr, wenn ich Euch anlüge!“
Die Worte hallten noch in Davids Kopf nach, er hatte sie nicht glauben wollen, den Ritter zornig zurechtgewiesen, aber dann hatte er in Ruhe nachgedacht.
Es passte zu Marian. Sie war keine, die sich mit dem Schicksal abfand und sich duckte. Marian war eine Kämpferin, und er konnte sich recht gut vorstellen, dass sie mit einem Knüppel zuschlug und mit eisernen Töpfen warf. Aber dieses Mal hatte Marian gegen ihn gekämpft, gegen den eigenen Vater!
Braden, dieses dreckige Schwein, musste einen Weg gefunden haben, sie für sich einzunehmen. Wahrscheinlich hatte er ihr Lügen erzählt und sie dann verführt. David MacAron spürte, wie der Schmerz in ihm aufstieg
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