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Die Gegenpäpstin

Titel: Die Gegenpäpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Einlenken in dieser Sache.«
    »Da stimmt doch etwas nicht!« Padrig beschlich ein ungutes Gefühl. Daß der Vatikan gut daran tat, der Kundgebung nach außen
     hin nicht zu viel Gewicht zu verleihen, war eine Sache. Eine andere aber, die ganze Angelegenheit abzutun und kaum noch zu
     beachten.
    »Was soll da nicht stimmen?« Mendez gab sich betont gleichgültig. »Sie werden von der Sache ohnehin nicht mehr betroffen sein.
     Auf Sie warten bereits andere Aufgaben.«
    Padrig sah den Erzbischof aus schmalen Lidern an. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Man hat Ihrem Wunsch entsprochen, einen missionarischen Brennpunkt besetzen zu dürfen«, bemerkte der Erzbischof wie beiläufig,
     während er eine Personalmappe aufschlug. »Sie werden in Kürze unser Missionshaus in Bogotá leiten. Ihre Abreise ist zufälligerweise
     am selben Tag, an dem die werten Damen ihre Kundgebung geplant haben.«
    Padrig spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte.
    »Freuen Sie sich denn gar nicht?« Erzbischof Mendez bedachte ihn mit einem betont aufmunternden Blick. »Es war doch ihr sehnlichster
     Wunsch, möglichst weit weg in die Jugendmission zu gehen?« Er lächelte milde, wie er es immer tat, wenn er mit sich selbst
     besonders zufrieden war. »Es tut mir ein wenig leid, sie zu verlieren. Ich hatte selten einen so guten Mitarbeiter.«

|313| 36.
62 n. Chr. – Das Licht
    Die Tage vergingen, und täglich kamen mehr Flüchtlinge, bis die unterirdische Stadt sich zu einem lebhaften Ort bevölkerte,
     an dem man um seinen Platz beinahe kämpfen mußte. Auch die Unruhe stieg, weil niemand wußte, ob das Urteil an Jaakov bereits
     vollstreckt worden war und die Hoffnung auf einen neuen römischen Statthalter, der vielleicht vorzeitig eintraf und Jaakov
     begnadigte, nicht weichen wollte.
    Mirjam ging es immer schlechter. Das Fieber setzte ihr zu, und alle Medikamente und Beschwörungen frommer Männer und Frauen
     konnten ihr nicht helfen.
    Schoshana hatte Mirjam bei sich aufgenommen. Sie hatte sich mit ihrer Schwiegertochter und den Enkeln im Erdgeschoß einer
     zweistöckigen, offenen Höhlenwohnung eingerichtet. Auf den Sohn wartete sie noch voller Angst und Unruhe, weil er zusammen
     mit Jochannan bis zur Vollstreckung des Urteils bei Jaakov ausharren wollte.
    So erfüllte die Wartenden sowohl Freude als auch Furcht, als ein Wächter, der in Jaakovs Hütte als harmloser Schäfer getarnt
     die Stellung hielt, mit einem Widderhorn die baldige Ankunft von Jochannan und seinen Männern verkündete.
    Schoshana wollte Mirjam beruhigen, die sich im Fieberwahn von ihrem Bett erhob, um endlich von Jaakovs Schicksal zu erfahren.
     Als die Menge sich zum Versammlungsplatz schob, mußte man sie zurückhalten, sonst hätte sie versucht, sich ganz nach vorne
     zu schieben, auch auf die Gefahr hin zu stürzen und zertrampelt zu werden.
    Die Männer um Jochannan trugen einen weißen, schweren Gegenstand über ihren Köpfen. Ein Mensch, eingewickelt in Leinentücher,
     wie bald zu erkennen war. Die Frauen schrien entsetzt auf, |314| die Männer erhoben ihre Fäuste, alle sprachen aufgeregt durcheinander – bis die Gestalt auf den Boden gelegt wurde. Da erst
     wichen die Neugierigen voller Furcht und Grauen zurück, und es wurde still. Jochannan schlug das Leinen über dem Gesicht des
     Toten vorsichtig zurück.
    Von Schoshana unbemerkt, schritt Mirjam auf wackligen Beinen durch eine Gasse, die sich vor ihr bildete. Niemand sagte auch
     nur ein Wort, als sie neben Jaakov niederkniete, stumm sein zerschmettertes Gesicht betrachtete, ihre Hand ausstreckte und
     zärtlich über die blutverkrusteten silbernen Locken strich.
    Mirjam spürte, wie die Kraft sie verließ und alles um sie herum verschwamm. Lichter tanzten, Gesichter drehten sich wie in
     einem Reigen, und sie bemerkte nicht einmal mehr, wie sie fiel. Jochannan war bei ihr, beugte sich über sie, hielt sie im
     Arm wie ein kleines Kind, sprach mit weichem Flüstern auf sie ein und benetzte ihre Lippen mit einem feuchten Schwamm.
    »Mirjam.« Seine junge, kräftige Stimme klang von weit her. »Mirjam, bleib bei uns.«
    »Jochannan?« Sie konnte ihn schon kaum mehr sehen.
    »Ja, ich bin hier, Mirjam.«
    Tastend fuhr sie mit der Hand über ihre Brust hin zu einem goldenen Herzskarabäus, den sie an einem dünnen Lederband um den
     Hals trug und der auf seiner Rückseite mit einer Inschrift versehen war. Es war ein Geschenk Jeschuas, das er ihr kurz vor
     seinem Tod gemacht hatte.
    »Nimm das«,

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