Die Gegenpäpstin
Mittelalter der Verteidigung gedient
haben. Wir müssen damit rechnen, daß auf dem gesamten Gelände und auf der umgebenden, bis zu drei Meter hohen Mauer Kameras
installiert sind, die bei Tag und Nacht die Umgebung scannen.«
»Besteht eine Möglichkeit, unbehelligt hineinzukommen?« Padrig spähte durch das Fernglas zum Kastell hin.
»Ja, wenn Sie läuten und sagen, Sie seien der Paketbote, aber nur wenn Sie vorher angemeldet waren und tatsächlich ein Paket
in Händen halten. Oder Sie haben einen richterlichen Durchsuchungsbefehl. Aber bei einem Anwesen, dessen Besitzer mit etlichen
Amtsinhabern der italienischen Regierung befreundet ist, wird so schnell niemand bereit sein, Ihnen einen solchen Befehl auszustellen.
Abgesehen davon, daß wir aus gegebenem Anlaß ohnehin auf die italienische Polizei verzichten müssen.«
»Es gibt also keinen Weg hinein?«
»Ich war heute morgen auf der israelischen Botschaft in Rom. Dort habe ich mir bei einem ehemaligen Armeekollegen militärische
Satellitenaufnahmen beschafft.« Der Inspektor zückte aus einem Seitenfach in der Fahrertür ein paar erstaunlich präzise Luftbildaufnahmen
und hielt sie Padrig hin. »Wie Sie sehen können, ist das Gebäude von einem riesigen Park umgeben. Den Satellitenaufnahmen
nach zu urteilen tummeln sich verschiedene Bestien darin, und bis an die Zähne bewaffnete Wachmannschaften |384| behalten jeden Winkel der Anlage im Auge. Unser Freund scheint sich also zu fürchten, vor wem auch immer. Das einzige, was
ich beobachten konnte, war der Firmenwagen einer Wäscherei mit dem wohlklingenden Namen
Lavanderia Affascinante
, der jeden Tag gegen zehn Uhr vormittags vorfährt und die schmutzige Wäsche abholt beziehungsweise saubere zurückbringt.
Soweit ich ermitteln konnte, beherbergt Nero keine weiblichen Bediensteten in seinem Domizil und ist auch nicht verheiratet.
Und obwohl er bereits in der zwanzigsten Generation hier lebt, gibt es in der Familie eine seltsame Auffälligkeit. Jede Generation
hat nur einen Sohn hervorgebracht, und die Ehefrauen blieben meist unbekannt und starben recht früh.«
Padrig spürte, wie ihm trotz der wärmenden Sonne, die das Fahrzeug von außen aufheizte, ein kalter Schauer über den Nacken
lief.
»Glauben Sie, daß er Sarah dort gefangenhält?«
»Mein Gefühl sagt mir, daß er sie dort drin versteckt hält, aber fragen Sie mich nicht, warum. Wenn ich jedoch recht habe,
wird es kein leichtes Unterfangen sein, sie zu finden und zu befreien. Nach den alten Plänen existiert unter dem Gebäude ein
weitverzweigtes Gangsystem.« Morgenstern stieß einen Seufzer aus, der darauf schließen ließ, daß er die Chancen, Sarah zu
retten, nicht wirklich einzuschätzen vermochte.
»Was glauben Sie?« fragte Padrig, während er noch immer das Castello im Visier hielt. »Wird er sie freilassen, wenn die Frauen
tun, was er verlangt, und die Kundgebung absagen?«
Morgenstern blickte ihn mit seltsam versteinerter Miene an, als Padrig das Fernglas absetzte und ihn anschaute. »Schwer zu
sagen. Falls er kein weiterreichendes Interesse an ihr hat, wird er seine Ankündigung womöglich in die Tat umsetzen, wenn
sie tun, was er verlangt. Vorstellen kann ich es mir jedoch nicht. Er wird kaum riskieren, daß Sarah etwas über seine Machenschaften
verraten könnte. Nein, wir müssen sie vorher herausholen. Regine |385| von Brest hat mir außerdem glaubhaft vermittelt, daß sie es ohnehin nicht schaffen wird, die Kundgebung rechtzeitig abzusagen.
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bezweifle ich übrigens, daß es Nero nur um den Kampf gegen aufrührerische Feministinnen
geht. Nach den Geschehnissen in Israel zu urteilen, hatten Nero und seine ›Streiter Gottes‹ Sarah bereits im Visier, bevor
Regine und ihre Mitstreiterinnen die Bühne betreten haben. Ihre unvermittelte Rolle als Gegenpäpstin und die Nervosität des
Kardinals, die deswegen entstand, haben vielleicht nur dazu beigetragen, daß Neros Leute ihren Aufenthaltsort erneut ausfindig
machen konnten. Darüber hinaus muß Nero die Erkenntnis, mit seinem Vorhaben dem Vatikan einen Dienst erweisen zu können, auf
die Idee gebracht haben, das Ergebnis seiner Bemühungen für seine wahren Intentionen nutzbringend verwenden zu können.«
»Ich werde da hineingehen«, sagte Padrig entschlossen und unterdrückte dabei seine Verzweiflung, die ihn bei jedem Gedanken
an Sarah erfaßte. »Noch heute nacht. Ich werde Sarah
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