Die Gegenpäpstin
er aus dem Mund des ehrwürdigen Monsignores bisher noch nie gehört.
Padrig hingegen ließ sich nicht beeindrucken. In einer schnellen Bewegung griff er zu einem goldenen Brieföffner mit einem
geschnitzten Elfenbeinknauf, der auf dem Schreibtisch lag, und packte Lucera derart heftig am Kragen, daß der Kardinal unwillkürlich
zu röcheln begann.
»Himmelherrgott, McFadden, machen Sie uns nur nicht unglücklich!« krächzte Mendez, jedoch wagte er es nicht, Padrigs persönlichem
Feldzug ein Ende zu bereiten.
»Reden Sie endlich!« befahl Padrig dem Kardinal und senkte die Spitze des Brieföffners zu einer bedrohlichen Geste. »War Nero
hier?«
Baptiste Lucera nickte kaum merklich, während er Padrig voller Panik anstarrte.
»Wollte er die Anerkennung seiner ›Streiter Gottes‹ als Orden vorantreiben?«
Wieder nickte der Kardinal.
»Und er hat Ihnen kein Geld geboten?«
|379| »Nein«, hauchte Lucera atemlos.
»Was hat er dann angeboten?«
»Nichts.«
»Nichts?« Padrig verstärkte seinen Griff noch.
»Lassen Sie mich los, dann erkläre ich Ihnen die Zusammenhänge.«
Padrig löste zögernd seine Finger, während er den Brieföffner immer noch im Anschlag hielt.
»Verdammt.« Lucera schloß für einen Moment entnervt die Augen und schnappte gierig nach Luft. »Nero wußte von der geplanten
Kundgebung der Frauen in Rom und daß die Kampagne dem Vatikan empfindlichen Schaden zufügen könnte. Ich habe mit ihm über
die angebliche Nachfahrin gesprochen und daß es da womöglich eine archäologische Entdeckung gäbe, deren Brisanz ich nicht
einzuschätzen vermag. Er bot mir an, wenn es mir gelänge, die Anerkennung seines Ordens durchzusetzen, würde er sich unseres
Problems annehmen. Er wollte die Angelegenheit mit Hilfe seiner guten Verbindungen in Israel überprüfen lassen, zumal unser
archäologisches Büro in der Sache noch keinen Schritt weitergekommen war. Außerdem versicherte er mir, daß es ein leichtes
wäre, den Auftritt der Feministinnen in der angekündigten Form zu verhindern.« Lucera wagte weder Padrig noch Erzbischof Mendez
in die Augen zu schauen. »Er bestätigte mich in dem Glauben, daß die Beweise zu den angeblich aufgefundenen Pergamenten nicht
eindeutig genug wären, zumal es keine entsprechenden Hinweise aus Israel gäbe, die deren Echtheit unter Beweis stellten. Die
Sache mit der Nachfahrin hielt er zudem für einen nicht besonders raffinierten Trick. Er meinte, wenn er den Feministinnen
genügend Geld bieten würde, könnte er sie von ihrem unsinnigen Vorhaben abbringen. Zumal sie einsehen müßten, daß es nützlicher
ist, hungernde Witwen und Waisen zu unterstützen, anstatt wieder und wieder gegen althergebrachte Traditionen aufzubegehren.«
|380| »Die Frauen haben aber kein Geld von Nero bekommen«, erwiderte Padrig zornig. »Vielmehr bleibt zu vermuten, daß Ihr feiner
Freund Frau Doktor Rosenthal hat entführen lassen und nun damit droht, sie umzubringen, falls die Kundgebung stattfindet.«
»Wie kommen Sie nur darauf, daß Nero die Frau entführt haben sollte?« Lucera sah Padrig nun doch an. »Oder haben Sie irgendwelche
Beweise.«
»Die Täter, die Frau Rosenthal in Deutschland verfolgt haben, benutzten ein merkwürdiges Symbol«, begann Padrig leidenschaftlich,
wobei er mit Absicht nicht auf die Frage des Kardinals einging. »Ein Widderkopf mit nach unten gebogenen Hörnern, eingebettet
in ein Pentagramm. Es weist auf eine zweitausend Jahre alte Sekte hin. Die durchweg männlichen Anhänger dieses Kultes nannten
sich ›die Söhne des Lichts‹. Eine Bezeichnung, die Nero inoffiziell für seine ›Streiter Gottes‹ verwendet. Sie opferten Jungfrauen
und Stiere und huldigten Belial, einem finsteren Gottdämon, der allgemein aus der biblischen Mythologie bekannt sein dürfte
und dessen aktueller Vertreter Ihnen, verehrte Exzellenz, aller Wahrscheinlichkeit nach vor gut drei Wochen in Gestalt eines
gewissen Angelo Nero einen Besuch abgestattet hat!«
Lucera schüttelte langsam den Kopf, und sein ungläubiger Blick verriet, daß er das eben Gesagte nicht wahrhaben wollte. »Nero?
Ein Sektenführer?«
»Ganz recht«, erwiderte Padrig. »Sogar einer von der finstersten Sorte.« Er ließ den Brieföffner sinken, den er immer noch
in Händen hielt, in dem Bewußtsein, daß aus jedem Menschen ein Teufel werden konnte, wenn er sich nur weit genug von seinen
guten Eigenschaften entfernte. Eher beiläufig musterte er das
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