Die Gegenpäpstin
sein Glas. »Wundere dich nicht über mich«, bemerkte er schmunzelnd. »Ich trinke
ab und an gern ein Glas und bete fünfmal am Tag. Ist so eine Angewohnheit. Es hilft mir, meine Gedanken zu klären. Vielleicht
solltest du es auch einmal versuchen?«
»Es ist schön, wenn man an etwas glauben kann«, entgegnete sie, während sie ihr Glas nahm. »Aber manchmal ist ein zuviel an
Glauben ungesund.«
Seine Miene wurde schlagartig ernst. »Tut mir leid. Ich dachte, ich könnte dich auf andere Gedanken bringen. Der Anschlag
von heute abend geht dir nicht aus dem Kopf, habe ich recht?«
»Ich frage mich unentwegt, ob dieser fünfzackige Stern nur eine grausige Boshaftigkeit war oder etwas mit mir oder den Beginen
zu tun hat.«
»Ich will dich nicht drängen, Sarah«, sagte er leise und rückte ein Stück näher an sie heran. »Wenn ich dich und Regine schützen
soll, mußt du mir sagen, was der Hintergrund eurer gemeinsamen Arbeit ist. Daß die Überfälle etwas mit eurer Arbeit zu tun
haben müssen, liegt spätestens seit heute abend auf der Hand. Ein gewöhnlicher Einbrecher hätte ein paar Wertgegenstände mitgehen
lassen und gewiß nicht die Haushälterin erschossen oder sich für Regines Katzen interessiert, geschweige denn mit Blut seltsame
Zeichen an die Wand gemalt.«
|234| »Also gut«, sagte sie und atmete tief durch, nachdem sie von ihrem Wein getrunken hatte. Padrig hatte recht, wenn er ihr helfen
sollte, mußte sie ihm vertrauen.
»Regine von Brest entstammt einem alten Adelsgeschlecht«, begann sie. »Wie dir aufgefallen sein dürfte, ist sie ziemlich reich,
wobei sie viel Geld in diverse Stiftungen steckt, die allen möglichen Bedürftigen helfen. Angeblich hat sie eine Vorfahrin,
Wilhelmina von Böhmen, die im dreizehnten Jahrhundert auf dem Sterbebett geschworen hat, aufzuerstehen, sobald die erste Päpstin
in Rom auf dem Thron sitzt.«
»Ist das Regines Intention – auf einen weiblichen Papst zu drängen?« fragte er mit hochgezogenen Brauen.
»Nein, natürlich nicht.« Sarah lachte leise. »Sie und ihr Orden engagieren sich schon seit Jahren für die Gleichberechtigung
in der römisch-katholischen Kirche. Ihnen wurde jedoch niemals Gehör geschenkt. Der Papst und seine Helfershelfer ignorieren
konsequent das Anliegen der Frauen.«
»Und warum engagierst
du
dich in dieser Sache. Du bist doch Jüdin?«
»Es war alles mehr oder weniger ein Zufall. Ich habe zusammen mit meinem Professor und unserem Team Mitte Januar eine Höhle
entdeckt. Oberhalb des Sees Genezareth. Auf einem beinahe fünfhundert Meter hohen Hügel namens Jebel Tur’an. Im Innern der
Höhle fanden wir zwei Leichen. Einen Mann und eine Frau. Ihre sterblichen Überreste waren zweitausend Jahre alt, und so wie
es sich darstellt, handelt es sich bei ihnen um Mirjam von Taricheae oder Maria von Magdala, wie sie in der Bibel genannt
wird. Neben ihr lag das Skelett des Jaakov von Nazareth, einem Bruder von Jesus Christus. Darüber hinaus entdeckten wir sechsunddreißig
Pergamente. Eine Art Autobiografie der Maria von Magdala. Ich übersetze die Schriften zur Zeit aus dem Altgriechischen.«
Er schwieg und schien ganz in Gedanken versunken zu sein.
»Glaubst du mir nicht?«
|235| »Doch, doch.« Er nickte hastig. »Obwohl es sich ziemlich phantastisch anhört. Warum hat man nichts darüber gelesen? So einen
Fund macht man doch nicht alle Tage?«
»Das ist es ja gerade. Zunächst haben die israelischen Behörden eine Veröffentlichung untersagt. Womöglich befürchteten sie
Probleme, falls unvermittelt christliche Pilger in den umkämpften Norden unseres Landes strömen würden. Man entschloß sich,
den Fund vorerst von der Universität in Haifa zur Hebrew University nach Jerusalem zu überführen, bis eine Entscheidung getroffen
würde, was mit den Toten weiter zu geschehen hat. Mein Professor wurde entführt, die Leichen gestohlen und ein Kollege, Aaron
Messkin, der mir sehr nahe stand, ist unter mysteriösen Umständen im Krankenhaus gestorben. Aber das weißt du vielleicht schon.
Ich hatte es dem Kommissar bei unserer ersten Vernehmung erzählt.«
»Das tut mir leid«, murmelte er, dabei ergriff er wie selbstverständlich ihre Hand und streichelte sachte darüber.
»Aber das ist längst noch nicht alles«, fügte sie resigniert hinzu. »Man war relativ schnell dabei, anzunehmen, arabische
Freischärler seien für den Überfall verantwortlich. Aaron wurde beschuldigt,
Weitere Kostenlose Bücher