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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Alles, was ich bisher zu sehen bekommen habe, sind diese albernen silbernen und roten Stifte!«
    Er unterdrückte ein Lächeln und bemühte sich, nicht herablassend zu klingen.
    »Bis ein Bild gemalt werden kann, gibt es Aberdutzende von Vorarbeiten. Untergrund, Komposition, Farben anrühren und vieles mehr – ich will dich nicht weiter mit all den Einzelheiten langweilen. Was hier gerade entsteht, ist erst der Anfang eines Anfangs. Eines sehr vielversprechenden Anfangs übrigens, wie ich finde.«
    Margaretha hielt plötzlich doch zwei Blätter in der Hand, die sie schnell auf die richtige Seite gedreht hatte, und begann erfreut zu lächeln.
    »So also siehst du mich?«, sagte sie. »Dann musst du dir aber auf der Stelle Augengläser schleifen lassen. Denn das bin ich niemals. Diese Frau ist doch viel zu schön!« Ihr Hals begann sich immer mehr zu röten, die Augen leuchteten.
    »Verstehst du jetzt, was ich gemeint habe?« Seine Stimme war sanft. »Manchmal braucht es fremde Augen, um sich selbst zu erkennen.«
    Er ging zum Tisch, nahm den Weinkrug und goss sich einen Becher ein, den er zügig leerte. Für das, was jetzt kam, konnte ein wenig Mut nicht schaden.
    »Man sagt, dass die drei Grazien ohne Falsch oder Vorbehalt sind«, fuhr er fort. »Ganz und gar frei und wahrhaftig. Deshalb werden sie in der Regel auch nackt dargestellt.«
    Margarethas Hand fuhr zum Mund.
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst«, sagte sie zweifelnd. »Du verlangst doch nicht, dass ich mich vor dir entblöße – einem fremden Mann?« Ihre Stimme begann zu zittern.
    »Ich verlange gar nichts«, erwiderte Jan. »Aber es würde alles viel einfacher für mich machen, wenn ich dich ohne Kleider sehen könnte.«
    »Damit hinterher die ganze Stadt mit Fingern auf mich zeigt und mein Mann mich aus dem Haus wirft?« Jetzt schrie sie. »Ich dachte, Ihr wäret ein Freund, Jan Seman. Jemand, der es gut mit mir meint. Aber in Wahrheit seid Ihr nichts als ein widerwärtiger Lüstling. Und jetzt geht! Auf der Stelle!«
    Er hatte es verdorben – alles.
    Cranach würde toben und erst recht der geheimnisvolle Auftraggeber, der sich so spendabel für dieses Werk zeigen wollte. Jans Anteil an dem Honorar, mit dem er so viel vorgehabt hatte, war verloren, seine Stellung als Stellvertreter des Meisters gefährdet, kaum dass er sie errungen hatte.
    Anderseits: Konnte der Mann mit der Maske eigentlich wissen, wie die Frau des Apothekers unter ihrem Kleid aussah?
    Aber Jan hatte nun einmal versprochen, Margaretha Relin als hüllenlose Grazie zu malen – und daraus würde nun nichts werden.
    Resigniert packte er seine Blätter und Stifte zusammen, während sie am Fenster stand und ihm den Rücken zuwandte.
    Von hinten ist sie noch anziehender, musste er plötzlich denken. Die Schultern, das feste Gesäß, die Beine, sicherlich wohlgeformt, sobald sie aus dem steifen Leinen gestiegen ist – ja, genauso sollte ich sie malen!
    »Ich wollte dich nicht kränken«, sagte er bittend. »Kann ich vielleicht nicht doch …«
    »Hinaus!« Margaretha fuhr zu ihm herum. Auf ihren Wangen brannten rote Flecken. »Ich bin eine anständige Frau. Niemals würde ich meinen Mann hintergehen oder betrügen …«
    »Das weiß ich doch«, sagte Jan. »Aber wir werden nun einmal nackt geboren, und unsere letzte Blöße umschließt nur ein Totenhemd. Gott hat uns einen Leib aus Fleisch und Blut geschenkt, in dem unsere Seele zu Hause ist. Wie könnte da etwas Falsches daran sein, ihn so abzubilden, wie der Schöpfer ihn nun einmal geschaffen hat?«
    Sie starrte ihn an, aufgelöst, tränenblind, doch er konnte sehen, wie sehr seine Worte sie zum Nachdenken brachten.
    »Schlaf darüber, Margaretha!«, sagte er. »Ich werde dich nicht bedrängen, das verspreche ich. Morgen Abend komme ich wieder. Ist die Tür offen, so heißt das, dass du mich erwartest, und wir könnten da fortfahren, wo wir heute aufgehört haben. Ist sie verschlossen, gehe ich ohne jedes weitere Wort.«
    Sie gab einen Laut von sich, den er nicht zu deuten wusste.
    Doch ein winziger Hoffnungsfunke begann in ihm zu glimmen.
    *
    Seit die kleine Elisabeth krank war, gingen alle im Luther- Haus auf Zehenspitzen. Sogar die hier logierenden Stu denten, sonst eher raue Kerle, die viel zu oft betrunken und lärmend nach Hause kamen, strengten sich an, Rücksicht zu nehmen. Zwei von ihnen lagen ohnehin, von Blutergüssen übersät, auf ihren Strohsäcken. Am Vorabend hatte es mitten auf dem Marktplatz eine wüste Schlägerei

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