Die geheime Braut
gegeben, weil die beiden einer Bierbrauertochter zu aufdringlich nachgestiegen waren. Der wütende Vater hatte ein paar Nach barn zusammengetrommelt und der Forderung, sein unschuldiges Kind in Ruhe zu lassen, mit Fäusten Nachdruck verliehen.
Katharina, sonst stets aufmerksame Hausmutter mit einem offenen Ohr für alle, hatte heute keine Zeit, sich um die Blessuren der jungen Burschen zu kümmern. Sie hockte neben der Wiege, in der sich die Kleine unruhig herumwarf.
»Sie spuckt schon seit gestern Abend«, sagte die Lutherin zu Muhme Lene, die ebenfalls besorgt herbeigeeilt war, »und will kaum etwas trinken.« Sie berührte die Stirn der Kleinen. »Fühl nur, wie heiß sie ist! Lieber Gott im Himmel, wenn das wieder das schreckliche Fieber ist, das sie schon einmal gequält hat, verliere ich noch den Verstand.«
»Langsam wird Elisabeth zu groß für die Brust«, sagte die Alte. »Wenn du ihr ein süßes Breilein kochst, bekommt sie sicherlich wieder neue Kraft.«
»Du weißt, was geschehen wird, wenn ich nicht mehr stille.« Katharina warf ihr einen raschen Blick zu. »Es ist beileibe nicht so, dass Martin und ich nicht noch mehr Kinder haben wollen – ganz im Gegenteil. Aber sie brauchen einen so sehr, bis sie laufen können, und wenn dann gleich das nächste da ist, bekommt das die ganze Aufmerksamkeit.«
»Für eine ehemalige Nonne kennst du dich in diesen Belangen inzwischen erstaunlich gut aus.« Muhme Lene lächelte. »Aber so war meine Käthe ja eigentlich schon immer: schnell im Kopf und heiß im Herzen.«
»Man liebt seine Kinder eben grenzenlos.« Katharina sah plötzlich ganz elend aus. »Man kann gar nicht anders. Und stirbt gleichzeitig Tag für Tag wieder aufs Neue vor Angst um sie. Sie sind wie ein Teil von dir – und viel mehr als das. Manchmal sehe ich Martins Züge in Johannes’ Gesicht oder in dem der Kleinen. Und schon im nächsten Moment lassen sie mich wieder spüren, dass sie ganz eigenständige Wesen sind. Was mich wiederum so rührt, dass ich auf der Stelle losweinen könnte.«
»Du solltest dir Hilfe holen«, sagte die Muhme. »Schick eine der Mägde zum Cranach-Haus. Barbara ist Elisabeths Patin und hat selbst fünf Kinder zur Welt gebracht. Die kennt sich noch besser aus als du in Gottes Garten und weiß sicherlich Rat.«
»Soll ich nicht lieber selber schnell mit der Kleinen zu ihr laufen?«
»Wozu hast du jetzt die beiden? Lass dein krankes Kind in der Wiege! Da ist es am besten aufgehoben.«
Susanna war über den Auftrag wenig begeistert. Aber Bini war noch mit dem Füttern der zahlreichen Tiere und den danach anfallenden Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt, also blieb der Freundin nichts anderes übrig, als loszulaufen.
Ohne die Vertraute an ihrer Seite fühlte sie sich nach dem Verlassen des Schwarzen Klosters noch schutzloser als sonst. Unwillkürlich ging sie schneller, besonders als ihr vor der Leucorea ein paar feixende Studenten hinterherpfiffen.
Sie zog den Kopf ein. Von jetzt an rannte sie regelrecht.
Vielleicht lag es ja an dem alten grünen Kleid, das die Lutherin ihr regelrecht aufgedrängt hatte, mit weitem Rock und eng anliegendem Mieder, das überraschend gut saß und eher züchtig war, für Susannas Geschmack aber noch immer zu weit ausgeschnitten. Sie hatte sich ein grobes Tuch umgebunden, um ihre Blöße zu bedecken, das freilich ständig verrutschte und daher keine große Hilfe war. Einmal mehr sehnte sie sich nach dem vertrauten Habit zurück, der sie auf gewisse Weise unsichtbar gemacht und der Welt entrückt hatte.
Heute war der Marktplatz leer; sie musste sich nicht zwischen Menschentrauben, Vieh und hölzernen Buden durchdrängen, um zu dem stattlichen Haus neben der Apotheke zu gelangen.
Susanna betätigte den Klopfer. Doch alles blieb ruhig. Niemand kam, um ihr zu öffnen.
Ob die Hausherrin ausgegangen war? Und die Mägde, die sie doch sicherlich hatte, wo mochten die wohl stecken?
Noch einmal versuchte sie ihr Glück.
Wiederum vergebens.
Ihr Blick fiel auf die ansehnliche Apotheke gleich nebendran. Hatte Katharina nicht irgendwann erwähnt, dass diese ebenfalls Cranach gehörte?
Susanna ging hinein, ohne lange nachzudenken.
Eine junge Frau in einem hellen Gewand stand hinter der Theke, mit ordentlich aufgesteckten rotblonden Flechten. Sie bemühte sich um ein Lächeln, das sie sichtlich Mühe kostete.
»Was kann ich für Euch tun?«, fragte sie. Sie wirkte übermüdet, als hätte sie zu wenig geschlafen. Feine Linien
Weitere Kostenlose Bücher