Die geheime Braut
steckte durchaus darin.
Die anderen in der Werkstatt schienen nichts zu bemerken, doch Jan sah so unbehaglich aus, als habe man ihm befohlen, eine Kröte zu schlucken.
Die Rückkehr von Barbara Cranach wirkte wie befreiend.
»Ich hab jetzt alles beisammen.« An ihrem Arm baumelte ein großer Korb, der mit verschiedenen Näpfen, Fläschchen und Kräuterbüscheln bestückt war. »Lass uns gleich aufbrechen!«
Susanna folgte ihr. Im Vorbeigehen steckte ihr die Frau aus der Apotheke verstohlen ihre Beutelchen zu.
»Sagt der Lutherin, dass sie von Margaretha sind«, sagte sie leise. »Und dass sie trotz aller Kümmernisse niemals vergessen soll, wie sehr der gütige Gott sie gesegnet hat.«
*
Er hatte ihr strengstens untersagt, jenes Zimmer unter dem Dach zu betreten, in das er sich manchmal zurückzog, um ungestört, aber doch anwesend zu sein. Und eigentlich war Griet überzeugt gewesen, gar keinen Schlüssel für diese besondere Tür zu haben.
Bis sie jenen überraschenden Fund im Keller machte.
Ein düsterer, muffiger Ort, den sie nur betrat, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Sie lagerten ihre Weinfässer dort, zu denen sie meist eines der Mädchen zum Abzapfen schickte, und allerlei Gerümpel, das sich im Lauf der Zeit angesammelt hatte. Hier unten, wo das Licht selbst am hellen Tag nur durch schmale Ritzen einfiel, konnte man sich schnell verloren fühlen, ein Zustand, in den sie um nichts in der Welt wieder geraten wollte.
Irgendwann musste sie dennoch hinunter. Sie stellte fest, dass der Wein schon wieder auszugehen drohte und dringend Nachschub bestellt werden sollte. Dann glitt ihr auch noch der gut gefüllte Krug aus der Hand und zerbrach in unzählige Scherben.
Überall klebrige Flüssigkeit – was für eine ausgemachte Sauerei!
Sie unterdrückte einen Fluch und beschloss, Isa zum Sau bermachen hinunterzuschicken, die am wenigsten Freier hatte, obwohl sie den besten Charakter besaß. Als sie sich aufrich tete, entdeckte sie den verrosteten Schlüsselbund in einer stau bigen Mauernische hoch über ihrem Kopf.
Sie wäre nicht Griet Hutinger gewesen, die sich seit Kindestagen nichts vormachen ließ, hätte sie sich nicht gereckt, um hinaufzulangen und den Bund an sich zu nehmen, um die Schlüssel nach und nach auszuprobieren. Systematisch ging sie dabei vor, stets darauf bedacht, dass ja niemand sie dabei beobachtete.
Dass es ein trefflicher Fund war, bemerkte sie rasch und konnte schon bald jeden Schlüssel einer bestimmten Tür zuordnen. Natürlich behielt sie dieses Wissen für sich. Die Mädchen begannen schnell zu plappern, wenn sie betrunken waren oder sich unglücklich fühlten. Dazu kamen die Wichtigtuerinnen, die es in diesem Gewerbe leider allzu oft gab. Und jene unvermeidlichen Neiderinnen, vor denen sie sich ganz besonders hüten musste.
Es war ungewöhnlich, dass eine Frau ein Freudenhaus führte, das ließen die Hübschlerinnen sie immer wieder spüren und versuchten, sich Rechte herauszunehmen, die Griet ihnen nicht einräumen konnte oder wollte. Alles wäre wesentlich einfacher gewesen, hätte der Patron sich seinen Huren auch nur ein einziges Mal gezeigt und ihr damit größeren Respekt verschafft. Doch davon wollte er nichts wissen.
»Ich hab dich ausgewählt, weil du es alleine schaffst«, war alles, was sie von ihm zu hören bekam. »Ich verlasse mich auf dich, meine Griet. Oder sollte ich mich etwa in dir getäuscht haben? Dann freilich brauchst du es nur zu sagen …«
Der Stahl, der in seiner Stimme aufblitzte, brachte sie auf der Stelle zum Schweigen. Das Haus am Elstertor, das sie seit einiger Zeit für ihn führte, war alles, was sie hatte. Verlor sie diese Stellung, müsste sie selbst wieder anschaffen gehen, eine Vorstellung, die sie peinigte. Die gierigen Hände auf ihrem Körper, der stoßweise Atem der geilen Männer, all jene Widerwärtigkeiten, die sie für ein paar Kupferstücke von ihr verlangen konnten – nie wieder wollte sie in diesen Sumpf zurück.
Jetzt also stand sie vor der Dachkammer, und ihr Herz schlug bis zum Hals.
Noch einmal lauschte Griet hinunter. Das Haus war still, die letzten Freier waren fort, die Mädchen schliefen. Morgen war Sonntag, da mussten sie schon ab dem Vormittag mit einem größeren Ansturm rechnen, obwohl der Besuch im Freu denhaus am Tag des Herrn eigentlich verboten war.
Luther, zu dessen Predigten sie manchmal ging, weil es ihr Spaß machte, sich wie eine anständige Frau in die letzte Kirchenbank zu knien, wetterte
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