Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
die ihn verfolgten.
    »Was willst du?« Eine Frau mit grämlicher Miene starrte sie an.
    »Wachskerzen«, sagte Susanna. »Ein halbes Dutzend. Von den mittleren dort drüben.« Sie deutete auf ein Bündel.
    »Das geht nicht.«
    »Und weshalb?«
    »Die gehen alle an das Schloss.« Die Frau schnalzte mit der Zunge, aber es klang nicht gerade bedauernd. »Eine große Lieferung, die nur noch abgeholt werden muss. Du kannst übermorgen wiederkommen. Dann habe ich wieder Nachschub.«
    »Ich brauche die Kerzen aber gleich. Die Lutherin schickt mich«, setzte Susanna hinzu, in der Hoffnung, damit mehr zu erreichen.
    Ein Name, der die andere noch verbitterter dreinschauen ließ als zuvor.
    »Komm mir bloß nicht mit dem Reformator! Bevor er sein gottloses Wüten gegen die Heiligen und die Reliquien begonnen hat, waren unsere Kirchen voll von Kerzen – und wir haben gut gelebt. Jetzt gibt es ständig Ärger mit der Bäckerzunft, weil sie neidisch auf uns Lebzelter sind. Nein, übermorgen. Das ist mein letztes Wort.«
    »Dann muss ich leider passen. Es sei denn …«
    Die Ladentür ging auf, ein Mädchen wirbelte herein, die roten Locken von einem breiten Band aus der Stirn gehalten. Ihr Kleid war lumpig und zerschlissen, doch sie trug es mit der Würde einer Prinzessin. An der Schulter baumelte ein verwaschenes gelbes Band.
    »Ich brauch was Süßes«, rief sie mit einer hellen, fordernden Stimme. »Und billig muss es auch sein, denn ich hab nur einen einzigen Kreuzer.«
    Unwillkürlich trat Susanna einen Schritt zur Seite.
    Das war doch die, die Jan mitten auf dem Markt so dreist geküsst hatte!
    Jetzt, aus der Nähe, sah sie erst, wie jung die Kleine war – und wie makellos. Die Haut wie Schlagsahne, die Wangen seidig, die Brüste unter dem abgewetzten Mieder kleine, feste Äpfelchen.
    War das etwa sein heimliches Liebchen?
    Gegen dieses verführerische Geschöpf musste jede andere Frau grau und alt wirken.
    Das Mädchen richtete die rehbraunen Augen herausfordernd auf Susanna.
    »Was glotzt du mich so an?«, sagte sie. »Hast noch nie eine schöne Hur gesehen?« Ihr Lachen klang keck. »Dann solltest deinen Liebsten vielleicht recht bald einmal zum Haus am Elstertor begleiten. Dort könnten wir dann zusammen viel Spaß haben.«
    Sprach sie von Jan?
    Aber das würde ja bedeuten, dass sie von den zwiespältigen Gefühlen wusste, die in Susanna kämpften.
    »Ich möchte jetzt meine Kerzen«, sagte Susanna steif. »Und wenn die mittleren aus sind, dann nehme ich eben ein Dutzend von den kleinen.«
    »Moment – zuerst meinen Lebkuchen!«, beharrte das Mädchen. »Meine Aufpasserin da draußen scharrt bestimmt schon vor Ungeduld mit den Füßen. Wir müssen schnell wieder zurück zur Arbeit, sonst wird der Patron sauer, hat Griet gesagt. Gesehen hab ich ihn zwar noch kein einziges Mal, bloß gerochen.« Sie zog die Nase kraus. »Und das stinkt, als ob Beelze bub höchstpersönlich einen Furz gelassen hätte – wie Schwefel und Rattenpisse.« Ein hohes, keckerndes Lachen.
    Alles in Susanna zog sich zusammen.
    Wenn sie selbst beschreiben müsste, wie ihr Peiniger gerochen hatte, sie hätte keinen treffenderen Vergleich wählen können.
    »Du bist vom – Frauenhaus?«, kam es ihr nicht gerade leicht über die Lippen.
    »Hab ich doch gesagt! Siehst du das denn nicht?« Sie zupfte an dem gelben Stoff. »Das ist das Hurenband, das wir alle tragen müssen. Aber ich mach mir nichts daraus. Ich weiß, was ich kann. Und wie die Männer vor mir kriechen.« Genüsslich biss sie ein großes Stück Lebkuchen ab und begann zu schmatzen. »Ich bin die Marlein. Und du?«
    »Susanna.«
    »Also, Susanna, dann halt deinen Liebsten mal ganz gut fest!« Sie war schon fast wieder draußen. »Denn wenn er erst einmal Marleins süße Früchte gekostet hat, ist er vielleicht für immer verloren.«
    Die Türe hinter sich zu schließen, kam ihr nicht in den Sinn.
    Susanna beobachtete, wie Marlein vor dem Laden zu einer schwarzhaarigen Frau trat, die gestenreich und offenkundig aufgebracht auf sie einredete, bevor die beiden um die nächste Ecke verschwunden waren.
    Die Lebzelterin starrte ihnen grimmig hinterher.
    »Heilige dürfen wir nicht mehr haben und auch keine schönen Reliquien mehr, zu denen die Menschen andächtig gebetet haben. Dafür gibt es inzwischen schon zwei dieser Sündenstätten in unserer guten Stadt. Und die Huren, die dort zugange sind, werden immer dreister. Früher hätten sie sich nicht am helllichten Tag mit frechen Reden in

Weitere Kostenlose Bücher