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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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aber doch immerhin weit genug, um Jan halb um den Verstand zu bringen. Sie neckte und reizte, forderte ihn heraus, um ihn im nächsten Augenblick wieder zurückzustoßen. Der junge Maler, der sich als profunder Kenner des uralten Spiels zwischen Frau und Mann gewähnt hatte, schien an seine Meisterin geraten zu sein.
    Jetzt kam es ihm auf einmal so vor, als sähe die Ehebrecherin ihn so aufgelöst an wie jüngst Susanna auf dem Kirchhof. Jans Herz schlug stets schneller, sobald er ihr begegnete, und doch kam es zwischen ihnen binnen Kurzem immer wieder zum Zwist.
    Die ehemalige Nonne hatte etwas an sich, das ihn zutiefst berührte: spröde Verletzlichkeit, gepaart mit Mut und Widerspruchsgeist. Außerdem war sie sich der eigenen Schönheit nicht bewusst, was sie in seinen Augen nur noch anziehender machte, weil ihr jeder Anflug affektierter Eitelkeit fehlte, die ihn bei Frauen rasch abstieß. Alles an Susanna war wahrhaftig und echt – auch jene tiefe Wunde, die sie offenbar mit sich herumtrug und niemandem offenbaren wollte.
    Jans Pinselführung war auf einmal nicht mehr ganz sicher.
    Er legte sein Werkzeug zur Seite, um nicht durch eine heftige Gefühlswallung zu verderben, was er in stundenlanger Arbeit geschaffen hatte, und ging hinüber zu den Lehrlingen.
    Lucs Interpretation von Ambrosius’ Nase war beeindruckend. Er hatte die Proportionen vergrößert, sich aber sonst genau an die Vorlage gehalten, während der Versuch von Hans eher unsicher ausgefallen war.
    »Ich hab gezeichnet, was ich gesehen habe«, verteidigte er sein wenig spektakuläres Blatt. »Während der da drüben wie immer maßlos übertrieben hat.«
    »Für den Anfang ist es doch gar nicht schlecht«, sagte Jan. »Und das gilt für euch beide. Soll ich euch zeigen, wie ihr es noch besser machen könnt?«
    Die Kreide in seiner Hand schien die Linien bereits zu kennen. Ein paar Striche – und nicht nur die Nase, sondern das ganze Profil des Gesellen war auf das Papier gebannt.
    »Man muss also im Fluss der Bewegung bleiben«, sagte Luc. »Das habe ich gerade gelernt.«
    »Aber wie stellt man das an?«, fragte Hans stöhnend. »Meine Hand kriegt dabei ja einen Krampf …«
    »Was soll das hier werden – Schulunterricht?« Cranachs Bass unterbrach das Lamento seines Ältesten. »Ich dachte, ihr haltet euch an das, was ich euch an Arbeiten vorgebe, während ich meinen Ämtern nachgehe.«
    Das war direkt an Jan gerichtet.
    »Was sonst?«, entgegnete dieser ruhig. »Aber dazu gehört doch wohl auch die Ausbildung Eurer Söhne, die eines Tages die Werkstatt weiterführen sollen.«
    Cranach funkelte ihn aufgebracht an. An die Widerreden seines Stellvertreters hatte er sich noch immer nicht gewöhnt.
    »Ich muss dich sprechen«, sagte er. »Komm mit nach drüben!«
    Natürlich folgten ihnen wieder die neugierigen Blicke von Simon und Ambrosius, bis die Tür zum Nebenraum sich hinter ihnen geschlossen hatte. Der alte Tratsch würde also erneut beginnen, da war Jan sich ziemlich sicher, und er seufzte innerlich über die Mühe, die es kosten würde, bis die beiden sich wieder beruhigt hätten.
    »Der Rat hat mich mit der Suche nach Margarethas Mörder beauftragt«, begann der Meister ohne Umschweife. »Wenn du etwas dazu beizutragen hast, dann rede jetzt!«
    Was meinte er?
    Jan spürte auf einmal einen harten Kloß im Hals. »Ich habe Euch alles dazu gesagt, was ich weiß«, sagte er.
    »Sicher?«, hakte Cranach nach. »Denk lieber noch einmal gründlich nach!«
    Jan blieb stumm.
    Er würde die Tote nicht verraten – und wenn der Alte ihm einen Strick um den Hals legte. Was Margaretha von ihm gefordert hatte, ging nur sie beide etwas an.
    »Dann will ich deinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge helfen«, sagte Cranach. »Wann hast du Margaretha Relin zum letzten Mal gesehen?«
    »Als ich die neue Lieferung für Euch holen sollte.« Die Antwort kam prompt. »Ich hatte die Apotheke gerade betreten, da ist sie wie von Dämonen gejagt hinausgestürmt.«
    »Ihr seid nicht gemeinsam gegangen?«
    »Nein«, sagte Jan. »Wer behauptet das – Relin?« Seine Stimme wurde lauter. »Hat er Euch auch erzählt, in welch erbärmlichem Zustand sie war? Ängstlich, voller Scham und Misstrauen. Wie ein geprügelter Hund, der sich vorsorglich vor den nächsten Schlägen duckt. Wer so mit seinem Weib umgeht, der verdient Strafe.«
    »Und hast du sie danach noch mal gesehen?«, fragte Cranach mit unbewegter Miene.
    »Nur noch als Tote. Aber Ihr wart ja selbst dabei,

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