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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ihrer Totenmesse. Aber was hat das mit dir zu tun?«
    Er gab einen Laut von sich, der bis in ihr Innerstes drang, rostig, gebrochen.
    »Ich wünschte – nichts«, sagte er nach einer Weile. »Ja, das wünschte ich mir in der Tat wie kaum etwas anderes.«
    »Wie du das sagst, macht mir Angst, Rabe.« Entschlossen wandte sie sich ihm zu, um beides zugleich zu sehen: die helle und die dunkle Seite seines Gesichts, die untrennbar zu ihm gehörten.
    »Das kann ich gut verstehen.« Es schien ihm schwerzufallen, ihrem forschenden Blick standzuhalten. »Mir selbst wird ganz bang zumute, wenn ich an Margaretha Relin denke.«
    »Du hast sie gekannt?«, fragte Bini.
    Er legte den Kopf ein wenig zur Seite.
    »Gut?«
    »Sie hätte nicht sterben dürfen. Schon gar nicht auf diese Weise.«
    Bini rutschte ein Stück von ihm weg. Er folgte ihr prompt, als könnte er nicht einmal diese kleine Entfernung ertragen.
    »Es hat doch etwas mit dir zu tun«, sagte sie. »Wenn das so ist, dann sehen wir uns heute zum letzten Mal. Das musst du wissen.«
    »Das kannst du mir nicht antun!« Er schlang seine Arme um sie und zog sie eng an sich. Sie spürte seine Wärme, hörte das laute Schlagen seines Herzens, roch frischen Schweiß, das Pferd, den Mann. Als seine Lippen ihren Hals berührten, wurde ihr so schwindelig, dass alles um sie sich zu drehen begann.
    »Hör auf!«, flüsterte Bini. »Hör sofort damit auf!«
    Doch der Mann, den sie Rabe nannte, schien nicht daran zu denken.
    Etwas Heißes stieg in ihr empor, erschreckend und wunderbar zugleich, etwas, das sie zu ihm drängte, obwohl sie im gleichen Moment Angst bekam, sich in seinen Armen zu verlieren.
    Dann ließ er abrupt von ihr ab.
    Wie kalt ihr auf einmal wurde, wie einsam sie sich fühlte!
    »Das dürfen wir nicht«, hörte sie ihn murmeln. »Ich bin deiner nicht würdig, kleine Eule. Nicht nach allem, was geschehen ist. Du hast einen anderen Mann verdient, keinen wie mich, der das Sonnenlicht scheut und dich nur an verborgenen Orten trifft. Keinen, der alles verloren hat und ein gefährliches Spiel treiben muss, um sein bisschen Leben zu retten. Nein, du brauchst jemanden, der mit dir mitten über den Marktplatz reitet und der ganzen Welt zeigt, welch strahlende Braut er nach Hause führt. Vergiss mich am besten ganz schnell!«
    »Als ob ich das noch könnte«, sagte Bini, »und das weißt du ganz genau. Früher war ich eine Braut Christi. Jetzt bin ich die Braut des Raben.«
    Er lächelte, sah auf einmal jung und glücklich aus. Sogar die harte Maskenseite wirkte weniger abschreckend.
    »Du hast nicht die geringste Ahnung, auf wen du dich da einlässt«, sagte er. »Ich bin ein Rabe mit gebrochenen Flügeln und einem Herzen, so schwarz und schwer wie das Metall auf meinem Gesicht, so viele Lügen sind darin begraben.«
    »Flügel kann man schienen«, erwiderte sie ernst. »Und das Fliegen wieder erlernen, sobald sie geheilt sind. Allerdings braucht es dazu viel Geduld. Was das schwarze Herz betrifft …«
    »Ja?« Er hing an ihren Lippen.
    »… so wird es heller und leichter, sobald du die Lügen hinausfegst und stattdessen die Wahrheit hineinlässt. Das habe ich im Kloster gelernt.« Sie streckte die Hand aus, strich ihm mutig eine Strähne hinter das Ohr, und es war plötzlich so selbstverständlich, als habe sie es schon viele Male zuvor getan. »Also noch einmal, mein Rabe, der schon bald von Kopf bis Fuß wie poliertes Silber glänzen wird: Was hast du mit dem Tod von Margaretha Relin zu tun?«
    *
    Der Duft von Wachs und die Wärme des Schmelzofens durchdrangen den kleinen Raum und überlagerten den Geruch nach Honig und Zimt, den die ausgestellten Lebkuchen verströmten.
    Susanna spürte, wie hungrig sie war.
    Das Mus, das sie nach dem täglichen Morgengebet schnell ausgelöffelt hatte, war längst verdaut, und im Haus der Cranachin hatte es verführerisch nach Gesottenem geduftet, das bei Katharinas sparsamer Haushaltsführung nur äußerst selten auf den Tisch kam.
    Keine Spur von Jan, auch nicht in der Werkstatt, an deren halb offener Tür sie wider besseres Wissen doch noch vorbeigegangen war. Einen der anderen Maler nach ihm zu fragen, hatte sie nicht gewagt – und was hätte sie auch schon sagen sollen?
    Dass es schmerzte, wenn Jan ungeniert anderen Frauen schöntat, sie aber kaum ertragen konnte, ihm nah zu sein?
    Vermutlich hätten die Gesellen sie für überspannt gehalten oder, noch schlimmer, für eine weitere seiner unzähligen liebestollen Verehrerinnen,

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