Die geheime Braut
schien er sich daran zu erinnern.
»Sie kommt mir bekannt vor«, sagte er grübelnd. »Hilf mir auf die Sprünge! Ich hab sie irgendwann schon einmal gesehen …«
»Sie ist Magd im Luther-Haus«, sagte Jan, weil ihm nichts anderes übrig blieb. »Zuvor hat sie im Kloster gelebt.«
»Also eine ehemalige Nonne wie Katharina?«, sagte Cra nach. »Ja, sie hat dieses Spröde, Verschlossene im Blick wie Martins Frau, das kann ich durchaus erkennen. Aber ihr Körper ist beweglicher und leichter – zumindest hast du ihn so gezeichnet. Sie hat noch kein Kind geboren? Die Weiber werden schwerer, wenn sie erst einmal niederge kommen sind, selbst jene, die nur wenig Fleisch auf den Rippen haben. Wirst du dein Glück bei ihr versuchen, Seman?«
»Ich soll Susanna bitten, Katharinas Stelle einzunehmen? Wie stellt Ihr Euch das vor?«
»Ich verlass mich da ganz auf dich. Mit der Thalia beginnst du gleich heute Abend. Nein, besser gleich. Ich lasse dir die Farbenkammer freimachen, dann bist du ungestört vor neugierigen Blicken. So können wir doch noch in der Zeit bleiben, was ja wichtig für unseren Auftrag ist.«
Er wandte sich zum Gehen, blieb allerdings an der Schwelle noch einmal stehen und drehte sich zu Jan um, der ihm fassungslos hinterherstarrte.
»Und kein Wort darüber zu niemandem!«, verlangte Cranach. »Die Angelegenheit ist heikel und darf nicht in falsche Ohren geraten.«
Damit ließ er ihn allein.
*
Was sollte sie ihm sagen? Was ihn fragen?
Eigentlich war sie fest davon überzeugt gewesen, ihn niemals wiederzusehen.
Doch als sie das Elbufer erreicht hatte, verweint, die Haare zerzaust, auf dem Kleid noch weißliche Spuren von Elisabeths Aufstoßen, kam die Stute auf Bini zugetrabt, als hätte sie sie bereits erwartet.
Bini koste Jolantas Hals, strich zärtlich über ihre Nüs tern.
»Du darfst ihn einfach so lieben, wie er ist«, sagte sie. »Aber was soll ich tun? Mich dem Teufel an den Hals werfen? Oder Reißaus nehmen, bevor es endgültig zu spät ist?«
Er blickte nicht auf, als sie langsam auf ihn zuschritt, und als er es doch tat, erschrak sie.
Der Teil seines Gesichts, den die Maske frei ließ, war wächsern. Seine Augen erschienen ihr so müde, dass sie am liebsten ihre Hände lindernd auf sie gelegt hätte.
»Ich hätte nicht mehr kommen dürfen«, sagte er leise. »Aber ich musste es dennoch tun.«
»Warum? Um mich noch verwirrter zu machen, als ich es ohnehin schon bin?«
Wonach roch er?
Er verströmte ein Gemisch aus Schweiß, Trauer und Angst, woran Bini sich nicht weiter störte. Alle Menschen, die Schweres mit sich herumzutragen hatten, rochen so. Doch da war noch etwas anderes, etwas Unbekanntes, das sie stutzig machte.
Schlamm?
Altes Holz?
Vermoderte Erde?
Kam er von einem Friedhof direkt zu ihr? Und wenn ja, was hatte er dort zu schaffen gehabt?
Bini rückte ein Stück zur Seite, was ihm nicht entging.
»Frag mich«, forderte er sie auf. »Ich werde dir sagen, was ich kann.«
»Wozu?«, sagte sie leise. »Damit du dich in neuen Ausflüchten verlierst? Den Teufel als letztes Argument hatten wir bereits. Was hast du für heute vorbereitet?«
Er schwieg. Fremd erschien er ihr und kalt, in seiner Maske aus Metall, die ihn von ihr und allen anderen trennte.
»Du bist nicht länger mein Rabe«, sagte Bini schließlich. »Mein Rabe war weich und empfindsam unter seinem schwarzen Federkleid. Sein Herz habe ich immer gespürt. Jetzt aber ist da nur noch etwas Hartes, Scharfes. Etwas, an dem man sich verletzen kann. Das einen verbluten lässt. Und das will ich nicht.«
Er lachte kurz auf. Niemals zuvor hatte sie einen verzwei felteren Laut gehört.
»Du hast ganz recht«, sagte er. »Ich bin kein Rabe und war es niemals. Mein richtiger Name lautet Falk. Und das bin ich auch – ein grausamer Raubvogel, abgerichtet zum Töten, der jagt und nichts als Kadaver hinter sich lässt.«
Er sprang auf, ging zu seinem Pferd und stieg in den Sattel, während Bini regungslos sitzen blieb, als habe eine unsichtbare Hand flüssiges Blei in ihre Glieder gegossen.
Als sie schließlich wieder in der Lage war, den Kopf zu heben, war er verschwunden, als hätte es ihn niemals gegeben.
*
Nachdem Elisabeth wieder gleichmäßig atmete, hielt Susanna nichts mehr im Luther-Haus.
Alle waren sie um die Wiege gestanden, Luther, Muhme Lene, eine auffallend stille Bini, Hansi, der nicht einmal mehr nach seinem verlorenen Hasen weinte, so erschrocken war er – und natürlich Katharina, die Tränen
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